Unter dem Teebaum
gefiel. Emilia war neunzehn, und Amber sah nicht ein, dass ein Mädchen in diesem Alter im Minirock und mit großen bunten Ohrringen zur Hauswirtschaftsschule gehen sollte. Doch immer wieder brachte Steve seiner Tochter gerade solche Sachen mit, die für Amber nichts als billiger Schund waren. Emilia aber war so eigensinnig wie ihr Vater. Sie tat, was sie für richtig hielt – und sie machte ihre Sache gut. Beinahe jeden Tag stand sie mit Aluunda in der Küche und kochte die seltsamsten Gerichte. Sie wollte Köchin werden, und Amber wusste, dass niemand sie daran hindern konnte.
Steve hatte die Verwaltung des Gutes wieder vollständig in seine Hände genommen und gestattete Amber nur Einblick in die Bücher, wenn er dabei war. Amber ahnte, dass er vorhatte, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, bevor ihr Vater starb und sie ihn endlich loswerden konnte. Jeden Tag rechneten sie mittlerweile mit Walters Tod.
Amber ließ es geschehen. Sie ließ beinahe alles geschehen. Nur um den Wein kümmerte sie sich noch. Bob, ihr Assistent, hatte eine neue Kreuzung zustande gebracht. Er hatte sich einige Rebpflanzen aus Deutschland schicken lassen und versuchte nun, eine Muskateller-Traube mit einem robusten Silvaner zu kreuzen. Der Rotwein verkaufte sich noch immer sehr gut, doch auch Wein unterlag der Mode, und die hatte verkündet, dass nun Weißwein im Trend lag.
Amber war mit den Verkäufen sehr zufrieden, doch die neuen Pflanzen reagierten anfällig auf Schädlinge. Ein Drittel der Weinberge war bereits befallen, und sie fürchtete um die Ernte.
Barossa Valley hatte sich nur wenig verändert, seit Amber vor mehr als zwanzig Jahren das Agrarcollege abgeschlossen hatte. Sie war zwar nicht mehr der einzige weibliche Winemaker in der Gegend, doch im Grunde hielt jeder hier am Althergebrachten fest. Auch die vielen Touristen, die wie Heuschreckenschwärme einfielen, hatten daran wenig geändert. Es gab jetzt eine Nachtbar in Tanunda und eine Diskothek, doch das war neben dem Souvenirladen, in dem Aborigine-Kunst verkauft wurde, auch schon alles. Lambert, dem noch immer das größte Gut in der Gegend gehörte, hatte einen ungenutzten Keller ausbauen lassen und bot Weinproben an.
Emilia half manchmal bei ihm aus, um sich ein Taschengeld zu verdienen. Mit ihren goldenen Haaren, den wasserblauen Augen und der schlanken Figur zog sie die Kunden an. Ihr Charme tat ein Übriges, um Lambert die Taschen zu füllen. Seit einem Jahr schon lag sie Amber in den Ohren, sie möge auf Carolina Cellar ebenfalls eine Weinstube einrichten.
»Wer soll sich darum kümmern?«, fragte Amber. »Ich habe dafür keine Zeit. Die Leute wollen nicht nur etwas trinken, sie wollen auch essen. Wer soll kochen? Aluunda bestimmt nicht. Sie schafft kaum noch die eigentliche Arbeit.«
»Ich werde kochen«, verkündete Emilia. »In der Hauswirtschaftsschule bin ich nur bis mittags. Anschließend kann ich kochen. Als Bedienung nehmen wir eine Aborigine aus der Missionarsschule, weil sie lesen und schreiben können muss. Die Touristen wollen Lokalkolorit. Sie wollen wenigstens mal eine Eingeborene sehen und mit ihr reden. Sie halten das für Kultur.«
Amber musste lachen. Emilia hatte die Schule wahrhaftig nicht mit einem guten Zeugnis abgeschlossen, doch sie verfügte, genau wie ihr Vater, über eine angeborene Bauernschläue. In Geschäftsdingen war sie sehr tüchtig. Und ihre zahlreichen Einfälle waren auf dem Gut gefürchtet.
»Und an den Wochenenden? Wer soll da in deiner Weinstube arbeiten? Es werden womöglich Ausflügler aus Adelaide kommen.«
Auch das war für Emilia kein ernsthaftes Problem.
»Jonah wird mir helfen. Und am Abend, wenn Großvater im Bett ist, kann Peena die Gäste bedienen. Wir müssen eine Weinstube aufmachen, Mutter, wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen.«
»Wie ich dich kenne, hast du bereits mit Jonah darüber gesprochen«, stellte Amber fest und wusste nicht, ob sie stolz oder verärgert über ihre umtriebige Tochter sein sollte.
Emilia nickte. »Seit er in Adelaide Medizin studiert, ist er ohnehin jedes Wochenende hier. Weiß der Himmel, warum er sich ausgerechnet mit der Teebaumpflanze beschäftigt. Inzwischen haben wir einen ganzen Teebaumhain am Rande der Weinberge. Und in der Vorratskammer stapeln sich die Fläschchen mit dem Öl, das er aus den Blättern presst.«
Sie verdrehte die Augen und machte eine Miene, als fordere ein Kind sie auf, von dem Kuchen, den es aus Sand geformt hatte, zu essen. Dann sprach
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