Unter dem Teebaum
sich den besten Platz unter den alten Akazien, unter denen Emilia ein paar bequeme Tische und Korbsessel aufgestellt hatte, und rief nach Wein.
Emilia reichte ihm eine Karte, die sie selbst gestaltet hatte, und deutete auf die schwarze Tafel, auf der mit weißer Kreide die Tagesgerichte aufgeführt waren.
Lambert fummelte umständlich seine Lesebrille aus der Tasche.
Inzwischen hatten sich so viele Neugierige eingefunden, dass Jonah mit dem Ausschank des kostenlosen Begrüßungstrunks kaum hinterherkam.
»Was?«, schrie Lambert plötzlich so laut, dass er damit allen anderen Lärm übertönte. »Was gibt es hier zu essen? Bushfood? Wer soll das essen? Wir sind doch keine verdammten Nigger.«
Emilia hielt sich tapfer. Sie stellte sich neben die Tafel und rief ebenso laut wie Lambert: »Für alle, die über ihr Land und die Einwohner zu wenig wissen, erkläre ich noch einmal, was hier angeboten wird.«
Einige lachten, andere wiederum zogen ärgerliche Gesichter.
Emilia tippte mit dem Finger auf das erste Gericht: »Damper«, sagte sie, »ist ein Fladenbrot, das aus gemahlenen Samen bereitet wird. Unser Damper besteht aus Akaziensamen. Besonders gut schmeckt dazu ein Honig, der ebenfalls von der Akazie stammt. Ich empfehle dazu einen leichten Muskateller aus unserem Haus.«
Sie sah sich um und suchte Ambers Blick. Diese nickte ihr zu, Emilia lächelte, dann las sie weiter: »Als zweites Gericht gibt es auf Holzkohle gegrilltes Kängurufleisch, dazu Wurzelgemüse und Süßkartoffeln. Für diejenigen, die etwas weniger Appetit haben, ist das dritte Gericht gedacht: Catfish mit einem Salat aus Seerosenblättern. Als Dessert empfiehlt die Köchin Zuckertaschenhonig auf Vanillepudding oder einen Kuchen aus Weißmehl und Macadamianüssen. Ich wünsche allen einen guten Appetit.«
Sie verbeugte sich leicht und lächelte Lambert freundlich zu, doch dieser stand ärgerlich und so abrupt auf, dass der Korbsessel hinter ihm auf den Boden fiel.
»Nigger-Food«, kreischte er. »Eine Schande für jeden anständigen Weißen.«
Er hob den Holzstock, den er mehr zur Zierde denn zur Stütze benutzte, und fuchtelte damit in der Luft herum. »Wir sind anständige Leute, die anständig arbeiten und leben. Wir haben ein Recht darauf, auch anständig zu essen und zu trinken.«
Er sah sich Beifall heischend um. Einige der älteren Leute nickten zustimmend. Eine Frau schüttelte sich sogar, als ekele es sie bereits, nur von den Gerichten zu hören.
»Ich gehe!«, rief Lambert energisch und hieb seinen Stock auf den Boden. »Und jeder, der etwas auf sich hält, wird mir folgen.«
Damit wandte er sich um und stapfte in Richtung Auffahrt davon.
Amber hatte nicht bemerkt, dass auch Ralph Lorenz und seine Mutter Margaret gekommen waren. Nun aber hörte sie Margaret sagen: »Ich halte sehr viel auf mich. Und gerade deshalb bleibe ich. Wir haben den Schwarzen das Land genommen. Wir haben sie jahrhundertelang unterdrückt, ignoriert und entwürdigt. Es ist Zeit, dass die weißen Australier begreifen, dass das Land von den Schwarzen gehütet und geschützt wurde. Die Weißen ernten die Saat, die die Schwarzen gesät haben. Deshalb ist es nun an uns, dafür zu sorgen, dass in Zukunft jeder Bürger Australiens dieselben Rechte hat. Die Weißen leben ihre Kultur, die Schwarzen sollen es nun auch wieder tun. Es gibt jede Menge voneinander zu lernen. Hier auf Carolina Cellar wird dazu ein erster Schritt getan.«
Sie warf mit einer energischen Bewegung ihr Halstuch, das sich ein wenig gelockert hatte, über die Schulter, dann sah sie zu Emilia und klatschte ihr so laut Beifall, wie sie nur konnte.
»Unfug!«, schrie Lambert von Weitem. »Wir wissen alles, was wir wissen müssen. Von den Schwarzen kann man nichts lernen außer saufen, singen und faul sein. Jeder, der sie darin unterstützt, ist ein Feind des weißen Australiens!«
Diesmal war es Steve, der Lambert laut Beifall klatschte. Emilia erstarrte, als sie das sah. Nie, nie hatte sie erwartet, dass ihr Vater sich öffentlich gegen sie stellte. Ja, es hatte Auseinandersetzungen über die Speisen in der Outback-Station gegeben. Emilia hatte sich durchgesetzt. Ihrem Vater wäre eine ganz normale Weinstube tausendmal lieber gewesen. Doch die Outback-Station war ihr kleines Unternehmen.
Was jetzt geschah, das hatte man in Barossa Valley noch nie gesehen. Jonah kam aus dem Stall, nahm Emilia bei der Hand, stellte sich neben Margaret und begann laut und rhythmisch zu klatschen. Steve kam
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