Unter dem Teebaum
lässig gegen das Geländer der Veranda gelehnt und drehte sich eine Zigarette.
Amber wusste nicht, was sie tun sollte. Es war eine tiefe Demütigung für Steve, vor den Augen seiner Untergebenen vom Gut geworfen zu werden, doch er hatte es nicht anders gewollt.
»Lasst ihn los!«, befahl Amber, und die Männer gehorchten.
Doch sofort ging Steve wieder auf sie los, schlug blindlings mit seinen Fäusten in Gesichter. Amber hörte Knochen splittern. Steve raste, und den Männern gelang es nicht, ihn zu bändigen.
Harry lehnte noch immer am Geländer, zog an seiner Zigarette und tat, als fände vor seinen Augen ein sportlicher Wettkampf statt.
Amber rannte ins Haus zurück und rief die Polizei. Sie kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, dass er nicht eher Ruhe geben würde, ehe irgendjemand krankenhausreif am Boden lag.
Die Polizisten waren gerade in der Nähe auf ihrer nächtlichen Streiffahrt. Es würde nur wenige Minuten dauern, bis sie da waren.
Amber lief zurück auf die Veranda. Die Prügelei war noch immer im Gange. Zwei Männer bluteten aus der Nase, doch Steve trat und schlug so heftig um sich, dass es ihnen nicht gelang, ihn zu bändigen.
»Hör auf«, rief Amber, doch sie wusste, dass ihre Worte nicht das Geringste ausrichteten.
Dann wandte sie sich an Harry: »Mit deiner Hilfe könnten sie es schaffen, den Boss zur Ruhe zu bringen«, sagte sie und konnte sich den Vorwurf in der Stimme nicht verkneifen.
Harry aber schüttelte den Kopf. »Ich mische mich nicht in die Angelegenheiten fremder Leute. Der Boss hat mir nichts getan. Es gibt keinen Grund, sich mit ihm anzulegen.«
Er nahm die Zigarette, warf sie auf den Boden und trat sie aus. Im selben Augenblick heulten die Polizeisirenen auf. Zwei Beamte sprangen aus dem Wagen. Der Anblick ihrer Uniformen und der Gummiknüppel reichte, um Steve zur Besinnung kommen zu lassen.
Innerhalb von Sekunden war das Handgemenge beendet. Steve hing zwischen den beiden Polizisten wie ein bockiges Kleinkind zwischen den Eltern. Blut lief ihm über die Wange, doch er tobte weiter: »Das kannst du nicht mit mir machen!«, schrie er in Ambers Richtung. »Das wirst du bereuen! In deinem ganzen Leben wirst du keinen glücklichen Tag mehr haben, das verspreche ich dir! Du nicht und dein schwarzer Bastard erst recht nicht. Ich mache euch fertig, so wahr ich Steve Emslie heiße.«
»Was ist hier eigentlich los?«, wollte einer der Polizisten wissen.
Amber richtete sich gerade auf und antwortete mit fester Stimme, aber am ganzen Leib zitternd: »Dies ist mein Mann. Ich habe ihn rausgeworfen. Das Gut gehört mir allein. Ich möchte nicht mehr mit ihm leben und habe ihn bereits mehrfach aufgefordert, das Gut zu verlassen. Er hat nicht auf mich gehört, also habe ich heute Nachmittag seine Sachen gepackt und die Schlösser auswechseln lassen.«
Die Polizisten nickten sich wissend zu. »Steve Emslie?«, fragten sie.
»Ja!«, knurrte der Mann.
»Wir nehmen Sie mit zur Wache. Ihre Worte klangen nicht so, als wünschten sie den Leuten von Carolina Cellar einen guten Tag. Außerdem gab es schon mehrfach Beschwerden über Sie. Eine Frau aus der Schwarzen Katze gab an, Sie hätten sie geschlagen. Es wird das Beste sein, wenn Sie sich unter unserer Obhut erstmal ein bisschen beruhigen.«
Steve hatte verloren. Er wusste es. Ohne ein weiteres Wort ließ er sich von den Polizisten zum Wagen führen. Doch der Blick, den er Amber zuwarf, war so voller Hass, dass sie erschrak. Schnell sah sie woandershin und bemerkte Harry, der sie mit zusammengekniffenen Augen musterte. Was hat er vor, fragte sie sich. Warum starrt er mich denn wütend an? Ihm habe ich doch nichts getan. Ein kleines Glöckchen schlug in ihrem Hinterkopf vorsorglich Alarm, doch Amber war viel zu müde, um darauf zu achten.
Als Steve mit den Polizisten das Gut verlassen hatte, bedankte sie sich bei Bob und den Männern, versprach ihnen zwei Kästen Bier zum Wochenende und stand dann noch eine kleine Weile allein auf der Veranda. Es war kühl geworden, und sie fröstelte. Trotzdem blieb sie stehen und beobachtete die Sonne, die langsam aus ihrem Schlaf erwachte und hinter den Hügeln den Himmel emporkletterte.
Ihr Blick fiel auf Jonahs Teebaumplantage. Die Bäume standen in voller Blüte und sahen aus, als wären sie mit frisch gefallenem Schnee bedeckt. Schnee im Sommer, dachte Amber, kann auch ein Versprechen auf einen Neubeginn sein.
»Ich bin frei«, flüsterte sie. »Ich bin endlich frei. Heute beginnt mein
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