Unter dem Teebaum
verschrecktes kleines Mädchen, das Angst um seine Eltern hatte.
»Dein Vater hat genug Geld, Emilia. So viel, dass er bis an sein Lebensende gut davon leben kann. Selbst wenn er hundert Jahre alt wird. Er wird eine Wohnung finden. Und ich bin mir sicher, dass es auch noch Arbeit für ihn gibt. Er war der Verwalter eines großen Gutes. Er weiß viel, hat viele Erfahrungen, die etwas zählen. So mancher Winzer in der Gegend wäre wohl gern bereit, ihn einzustellen.«
»Ist es wegen Peena?«, fragte Emilia, die natürlich – wie alle anderen auch – bemerkt hatte, dass ihr Vater seine Nächte meist in der Kammer der jungen Schwarzen verbrachte.
»Nein!« Amber schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht eifersüchtig, ich war es noch nie. Ich habe Peena sehr gern. Sie wird bei uns bleiben und ihr Kind hier zur Welt bringen. Du bekommst ein Geschwisterchen, Emilia.«
Emilia lächelte unter Tränen. »Wird Papa mich besuchen?«, fragte sie. »Mich und Peenas Kind?«
Amber zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, aber ich verspreche dir, dass du jederzeit zu ihm gehen kannst.«
Emilia erhob sich. »Ich muss in die Küche, um das Essen für die Station vorzubereiten.«
Sie ging langsam und mit hängenden Schultern zur Tür. Dann blieb sie stehen und fragte leise: »Mum, kann ich heute in Jonahs Hütte schlafen? Ich möchte nicht sehen, wie Papa uns verlässt.«
»Ja, das kannst du. Wenn du möchtest, rufe ich Jonah an. Vielleicht kann er kommen und bei dir bleiben.«
Emilia nickte, und in diesem Augenblick wurde Amber klar, dass auch sie ihren Sohn gern hier hätte. Er sollte sehen, dass sein Peiniger für immer von hier fortging.
Sie eilte zum Telefon, und zwei Stunden später war Jonah da.
Er traf seine Mutter im Büro.
»Ich wäre heute sowieso gekommen, Mum«, sprudelte es aus ihm heraus. »Es ist etwas Unglaubliches geschehen!«
Amber lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Ich höre dir zu«, sagte sie lächelnd. Sie hatte Jonah selten so aufgeregt gesehen.
»Mein Professor von der Universität hat mein Teebaumöl mit zu einem Kongress nach Europa genommen. Und stell dir vor, Mum: Ein pharmazeutisches Unternehmen, das sich auf natürliche Heilmittel spezialisiert hat, ist bereit, mein Öl zu kaufen. Sie wollen so viel wie möglich. Ich habe bereits fünfzig Liter, und sie zahlen für jeden Liter hundert Dollar. Wir werden fünftausend Dollar verdienen, Mum. Ist das nicht großartig?«
Amber sprang auf und umarmte ihren Sohn. »Das ist fantastisch, Jonah. Ich bin so stolz auf dich. Und ich freue mich sehr.«
Jonah kramte in seiner Hosentasche, und Amber riss vor Erstaunen die Augen weit auf, als sie die vielen Geldscheine sah.
»Sie haben schon im Voraus bezahlt. Ich muss nur noch die fünfzig Liter verschicken, aber das ist kein Problem. Ich werde sie als Luftfracht auf dem Flughafen in Adelaide aufgeben.«
Seine Augen strahlten vor Stolz. Er zählte Amber das Geld laut vor, dann nahm er tausend Dollar und steckte sie in einen Umschlag. »Das ist für Saleem. Der Rest muss für die neuen Pflanzen reichen.«
Er überlegte einen kleinen Augenblick, dann nahm er noch einmal zweihundert Dollar. »Hiervon werde ich ein hübsches Kleid für Emilia kaufen und ein Halstuch für Aluunda.« Er lächelte ein bisschen spitzbübisch. »Mal sehen, vielleicht bleibt ja noch ein Dollar übrig, damit ich auch dir etwas Hübsches mitbringen kann.«
Amber hatte ihrem Sohn schweigend zugesehen. Er war so glücklich, dass es ihr falsch erschienen wäre, ihn mit ihren Angelegenheiten zu belästigen. Doch jetzt war er fertig.
»Steve wird weggehen«, sagte sie. »Für immer.«
Jonah nickte. »Ich habe es mir gedacht. Niemals habe ich euch bei einer Zärtlichkeit gesehen. Du hast ihn nie geliebt, Mum.«
Amber nickte. »Du hast recht, das habe ich nie.«
»Wirst du jetzt mit Ralph zusammenleben?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich weiß nicht einmal, ob er mich noch will.«
Amber lächelte und stand auf. »Geh zu Emilia. Sie braucht dich jetzt.«
Jonah nickte. »Ich werde sie mit in die Stadt nehmen und sie auf andere Gedanken bringen.«
23
Amber lag die ganze Nacht wach. Sie hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt und sah im Schein ihrer Nachttischlampe an die Decke. Steve sollte sie nicht im Schlaf überraschen. Sie wusste, dass er sich bereits auf dem Heimweg befand, denn das Bordell schloss um vier Uhr morgens. Und Steve hatte noch nie ein Hotelzimmer in Adelaide genommen. Jetzt war es halb
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