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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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passe schon auf. Ich möchte nicht mit einem dicken Bauch vor den Altar treten. Die Leute würden doch sofort denken, wir müssen heiraten!«
    Sie lachte wieder und strahlte Amber glücklich an.
    Sie ist so verliebt in sich und ihr kleines Glück, dass sie nichts anderes um sich herum sieht, dachte Amber.
    »Umgesehen habe ich mich natürlich schon«, entgegnete Maggie. »Ich war sogar in einem Geschäft für Babyausstattungen. Jetzt, mit dem Ring am Finger, traut sich keiner mehr, komisch zu gucken. Ich habe natürlich darauf bestanden, dass die Verlobungsanzeige in den Tanunda News veröffentlicht wird.«
    Maggie sah Amber Beifall heischend an, doch Amber hielt den Kopf gesenkt und spielte mit dem Strohhalm, der in ihrem Eiskaffee steckte.
    »Und du?«, fragte Maggie schließlich. »Was ist mit dir?«
    Amber sah hoch, doch sie brachte die Kraft für ein Lächeln nicht auf. »Was soll mit mir sein? Ich bin jetzt Winemaker und werde demnächst Kellermeisterin auf dem Gut.«
    Maggie schüttelte den Kopf. »Kellermeisterin? Oh, das wäre nichts für mich. Den ganzen Tag zwischen feuchten Mauern und alten Holzfässern. Ich glaube, ich würde trübsinnig werden.«
    Amber hatte sich so auf das Treffen mit Maggie gefreut. Seit Kindertagen waren sie miteinander befreundet, hatten in der Schule stets in einer Bank gesessen. Amber hatte geglaubt, Maggie und sie wären sich ähnlich. Seelenverwandte vielleicht, für die dieselben Dinge wichtig waren. Jetzt fand sie Maggie himmelschreiend gewöhnlich. Hatte Maggie sich verändert, oder war sie in den drei Jahren in Adelaide eine andere geworden? Oder waren sie immer schon so verschieden gewesen? Amber wusste es nicht. Eine andere Freundin hatte sie nicht. Auch keinen Freund. Nur Jonah. Alles in ihr drängte danach, Maggie von ihm zu erzählen, doch eine innere Stimme warnte sie davor.
    »Hör mal«, sagte sie deshalb. »Ich möchte dir von einer Mitstudentin erzählen. Violet heißt sie. Ihrem Vater gehört eine große Rinderfarm. Violet liebt einen Aborigine. Sie möchte ihn heiraten. Doch sie hat Angst, ihrem Vater davon zu erzählen. Was sagst du dazu, Maggie?«
    Maggie hatte die Augen aufgerissen und sah Amber mit offenem Mund an. »Einen Abo?!«, fragte sie. »Deine Violet liebt einen Bushi?«
    »Ja«, erwiderte Amber. »Sie kennt ihn seit ihrer Kindheit. Sein Vater arbeitet auf der Farm. Findest du das so ungewöhnlich?«
    »Und ob!«, erwiderte Maggie. »Wie kann man sich denn in einen Abo verlieben? Es sind Bushis, Wilde. Jake sagt, sie sind den Tieren ähnlicher als den Menschen. Allein das Aussehen! Deine Freundin muss aufpassen. Eines Tages geht er zurück in den Busch und lässt sie allein.«
    »Es sind Menschen wie du und ich, Maggie«, widersprach Amber. »Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie schwarz sind und wir weiß.«
    »Es sind Wilde. Du kannst sagen, was du willst: Sie sind anders als wir. Sie sind faul, sie trinken, sind unzuverlässig und vertrödeln den Tag mit Gesängen und Schlaf. Sie sehen aus wie Affen, wohnen nicht in Häusern, gehen halb nackt auf die Straße und verstehen sich auf schwarze Magie.«
    Maggie hatte sich mit den Ellbogen auf den Tisch gestützt und auf Amber eingeredet. Nun lehnte sie sich zurück und sah die Freundin misstrauisch an. »Was hast du deiner Violet geraten?«, fragte sie.
    Amber zuckte mit den Achseln und lächelte Maggie an. »Ich habe ihr geraten, ihn zu heiraten.«
    »Bitte? Was sagst du da?«
    »Ich habe ihr geraten, ihn zu heiraten, wenn sie ihn liebt«, wiederholte Amber. Ihre Stimme klang ein wenig mutlos dabei. Sie hatte sich dieses Treffen ganz anders vorgestellt. Ja, sie hatte sich sogar danach gesehnt, Maggie von Jonah zu erzählen. Jetzt kam ihr dieser Gedanke lächerlich vor. Ärger stieg in ihr auf. Sie sah zu Maggie, blickte in ihr vom kleinen Glück besonntes Gesicht und hätte sie am liebsten geohrfeigt. Sie hätte ihr gern gesagt, wie dumm und selbstgerecht sie doch war. Doch auf der anderen Seite wusste sie, dass die meisten so waren wie die Schulfreundin. Nicht Maggie war schuld. Wenn es überhaupt eine Frage von Schuld war, dann lag diese Schuld bei ihr, bei Amber. Nicht Maggie war anders, sondern sie. Nicht Maggie tat Dinge, die ungewöhnlich waren, sondern sie.
    Amber fühlte sich einsam in diesem Augenblick. Ihr Zorn auf Maggie schmolz wie das Eis in ihrem Kaffee. Das Bedürfnis, so zu sein wie die anderen, Maggie ähnlich zu sein, weiterhin ihre Freundin bleiben zu dürfen, wurde so

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