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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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übermächtig, dass sie nach Maggies Hand griff. »Zeig mir noch einmal deinen Ring«, sagte sie.
    »Ich bin froh, dass du einen so guten Mann wie Jake gefunden hast. Es heißt, er sei einer, der eine große Zukunft vor sich hat. Hunger wirst du jedenfalls niemals leiden müssen.«
    Sie lächelte die Freundin an. Maggie lächelte zurück, stand sogar auf und umarmte Amber. »Es ist schön, dass du wieder in Tanunda bist.«
    »Was macht ihr Mädchen denn da?«
    Amber und Maggie hatten nicht gehört, dass Jake gekommen war. Maggie fiel ihm um den Hals und küsste ihn, doch Jake löste sich rasch von ihr und setzte sich an den Tisch. Mit ihm war ein junger Mann gekommen, den sie nicht kannten.
    »Darf ich euch Scotty vorstellen? Er ist mein Cousin und während der Ferien bei uns zu Besuch«, sagte er.
    »Hallo, Scotty.«
    Jake klatschte in die Hände, rief die Bedienung laut herbei und bestellte für Scotty und sich zwei Gläser Bier.
    »Heute Abend ist Tanz im Pub an der Hauptstraße«, sagte er. »Scotty und ich werden dort sein. Kommt ihr mit?«
    Maggie zog einen Flunsch. »Aber du hattest doch versprochen, heute mit mir die Möbelkataloge durchzusehen.«
    Jake lachte und klopfte Scotty auf die Schultern. »Ich muss die letzten Wochen meines Junggesellenlebens nutzen. Das wirst du doch verstehen, Maggie. Schließlich hast du mich noch dein ganzes Leben lang.«
    Er lachte wieder, doch dann legte er seine Hand auf Maggies Arm, sah Amber an und sagte: »Kommt doch mit, ihr beiden. Es wird bestimmt lustig. Amber, was sagst du?«
    Amber dachte einen Augenblick lang nach. Sie hatte große Lust, tanzen zu gehen. Doch mit Jonah würde das niemals möglich sein. An der Kneipe, den beiden Pubs und am Café in Tanunda standen große Schilder am Eingang mit der Aufschrift »Keine Sandalen!«. Das hieß natürlich nichts anderes als »Für Aborigines verboten«.
    Wenn sie mit Jonah tanzen wollte, so ging das nur des Nachts in den dunklen Weinbergen oder in der Hütte des Jagdpächters.
    »Komm doch mit, Amber«, bat Maggie.
    »Ich … ich weiß nicht«, stotterte Amber. »Ich glaube, ich habe nichts anzuziehen.«
    Maggie lachte: »Mein Kleiderschrank ist voll bis zum Rand. Wir werden bestimmt etwas für dich finden.«
    Noch einmal dachte Amber an Jonah. Er würde verstehen, dass sie mit den anderen Weißen tanzen gehen wollte. Natürlich würde er es verstehen. Jonah verstand alles. Es war, als könne er in ihr Herz und in ihre Seele blicken. War es nicht so, wie Jake gesagt hatte? Hatte sie nicht den Rest ihres Lebens Zeit, die sie mit Jonah verbringen konnte?
    Sie sah ihre Freunde an und fühlte sich plötzlich so jung und unbeschwert, wie es einem Mädchen in ihrem Alter entsprach.
    Einmal noch möchte ich von Herzen fröhlich sein und sein wie die anderen, dachte sie. Einmal möchte ich noch ein ganz normales Mädchen sein und zu den anderen gehören, ehe ich mich öffentlich zu Jonah bekenne. Sie wusste, von diesem Tag an würde alles anders sein. Sie wusste, dass Maggie sie meiden würde. Maggie und die anderen, mit denen sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hatte.
    Sie sah hinauf zu den Bäumen und sah einen Keilschwanzadler davonfliegen. Der Schatten seiner Flügel warf ein schwarzes Kreuz, das für einen Augenblick über den vier jungen Menschen hing.
    Nur Amber bemerkte es. Ist das ein Zeichen?, fragte sie sich und spürte plötzlich ein Frösteln über ihren Rücken laufen.

4
    Von Maggies Elternhaus aus rief sie ihren Vater an und sagte ihm, was sie vorhatte.
    »Ich freue mich, wenn du dich amüsierst, Kind«, sagte er. »Ich glaube, Steve Emslie wird ebenfalls zum Tanz in den Pub gehen. Er wird dich mit nach Hause bringen.«
    »Gut, Vater«, versprach Amber und legte auf.
    Zwei Stunden später stand sie in einem sonnengelben Kleid, das ihr braunes Haar zum Leuchten brachte, und einem roten Lackgürtel vor dem Spiegel und ließ sich von Maggie das Haar zu einer Bananenfrisur nach der neuesten Mode aufstecken.
    »Oh, du wirst sehen, wie viel Spaß wir haben werden. Findest du nicht auch, dass Scotty umwerfend aussieht?«, fragte Maggie. »Er hat dieselben Augen wie euer Verwalter Steve. Nur seine Schultern sind nicht ganz so breit.«
    Amber nickte, doch ihr Lächeln blieb matt. Sie dachte an Jonah. Dachte daran, dass er auf sie warten würde. Am liebsten wäre sie aufgestanden und mit dem Fahrrad zu ihm gefahren. Aber gleichzeitig wollte sie tanzen. Tanzen, flirten, jung sein. Vor allem aber sein wie die anderen. Sie

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