Unter dem Teebaum
ihren Arm umklammert, presste seine Hand in ihren Rücken und drückte ihren Leib an sich. »Du gehörst mir. Es ist besser, du akzeptierst diese Tatsache.«
»Lass sie los!«
Weder Steve noch Amber hatten Jonah bemerkt, der plötzlich neben ihnen stand. »Lass sie sofort los.«
Steve fuhr herum und ließ Amber fahren. »Was willst du hier, du Buschhund?«, fauchte er. Er ballte die Hände zu Fäusten und stand breitbeinig vor Jonah. »Wer hat dich gebeten, dich in die Angelegenheiten von Weißen einzumischen? Mach, dass du wegkommst, sonst mach ich dir Beine.«
»Rühr sie nie wieder an!«, sagte Jonah in aller Ruhe. Er stand ganz dicht vor Steve und sah ihm direkt in die Augen. Amber sah, dass alle seine Muskeln angespannt waren. Wie ein zum Sprung bereites Tier stand er da, die Sinne auf das Äußerste geschärft.
Der Schlag kam unvermittelt. Steve rammte Jonah seine Faust so heftig in den Magen, dass der Aborigine nach Luft schnappte. Noch ehe er reagieren konnte, hatte Steve seinen Kopf gepackt und riss ihn nach unten. Dann stieß er mit dem Knie nach Jonahs Nase, und Amber hörte ein knackendes Geräusch. Nun geriet auch Jonah in Wut.
Blitzschnell wandte er sich aus Steves Griff, dann drehte er ihm einen Arm auf den Rücken und drückte mit dem anderen auf dessen Kehle. Steve röchelte nach Luft. Seine Augen quollen aus den Höhlen.
»Lass ihn los, Jonah«, rief Amber. »Du bringst ihn um!«
»Er hat es nicht anders verdient«, presste Jonah hervor.
»Lass ihn los!«, rief sie wieder, sprang auf und klammerte sich an Jonahs Arme.
Sobald er ihre Berührung spürte, ließ Jonah den Verwalter los.
Steve stöhnte, hielt sich den Hals, fiel auf den weichen Sandboden und rang pfeifend nach Atem.
»Komm!«, rief Amber, nahm Jonahs Hand und begann zu rennen.
Erst als sie die Lichter des Carolina Cellar sahen, hielten sie inne.
Amber schlang ihre Arme um Jonahs Hals. »Du blutest ja«, rief sie entsetzt, holte ein Taschentuch hervor und tupfte ihm vorsichtig das Blut ab.
»Steve wird sich an dir rächen«, sagte sie plötzlich. »Du wirst keine gute Stunde mehr hier haben.«
»Das ist mir gleich«, erwiderte Jonah. »Sobald du dich zu mir bekannt hast, wird er es nicht wagen, mich anzurühren.«
Er hielt ihre Hand mit dem Taschentuch fest. »Du wirst es doch tun, oder?«
»Natürlich«, erwiderte Amber, aber plötzlich spürte sie Tränen in sich aufsteigen.
»Ach, Jonah«, flüsterte sie. »Ich hätte nicht gedacht, dass das alles so schwierig ist. Ich brauche dich so, um die zu werden, die in mir steckt.«
»Pscht«, machte Jonah und strich ihr sanft über das Haar und den Rücken. »Es ist nichts passiert. Ich bin immer da, wenn du mich brauchst, Amber.«
Sie löste sich von ihm und sah ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an. »Ich liebe dich, Jonah. Aber manchmal ist es so schwer.«
Der Aborigine nickte. »Ich weiß. Du wärst manchmal gern wie die anderen, nicht wahr?«
Amber nickte und schämte sich. Wie gut Jonah sie doch kannte!
Er streichelte ihr Gesicht und küsste den Kummer aus ihren Augen.
»Wenn ich auch manchmal wie die anderen sein möchte«, erwiderte Amber, »so kannst du doch sicher sein, dass ich immer wieder zur dir zurückkehre. Du bist mir alles, Jonah. Ohne dich wäre mein Leben nicht mein Leben.«
Er verschloss ihren Mund mit seinen Lippen, dann legte er ihr einen Arm um die Schulter, zog sie fest an sich und ging mit ihr die letzten Meter bis zum Gutshaus.
Unter dem Teebaum im Hüttendorf saß Orynanga und sah den beiden zu. Sein Gesicht war ernst und traurig zugleich. Er verfolgte jeden Schritt, als wäre es seine Aufgabe, über die beiden zu wachen.
Dann begann er leise zu singen. Er sang ein Lied der Ahnen, ein Lied, das von einer Liebe erzählte, die sich nicht erfüllen ließ. Nicht in der Gegenwart und nicht in der Zukunft.
Er sah, wie die beiden sich voneinander verabschiedeten. Er spürte die große Zärtlichkeit, und Wehmut stieg bitter in ihm auf.
Doch noch bevor Jonah seinen Schlafplatz erreicht hatte, lag Orynanga unter einer Decke und tat, als ob er fest schliefe.
Einmal nur hob der Alte noch den Kopf, setzte sich auf und beobachtete den weißen Mann, der, die Hand an der Kehle, von der Straße kam, den weißen Kiesweg bis zum Haus ging und davor stehen blieb.
Orynanga sah, wie der Mann zu den Fenstern im ersten Stock hinaufsah. Zu den Fenstern, hinter denen Amber nun sicher schlafen würde. Und er hörte den Mann fluchen, doch er verstand seine
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