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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Verwalter zu entlassen, nur weil er meiner Tochter schöne Augen macht. In dieser Gegend bringt es nichts, zimperlich zu sein. Ich werde nicht dulden, dass es auf meinem Gut Unfrieden gibt.«
    »Du wirst ihn nicht entlassen?«
    Der Gutsbesitzer nickte. »Es gibt keinen Grund dafür. Er ist ein guter Verwalter, Amber. Bisher hat er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Dein Diplom kann sein Wissen und seine Erfahrungen in der Verwaltung nicht ersetzen. Du könntest viel von ihm lernen.«
    Eine kleine Weile saßen Vater und Tochter schweigend beieinander und hingen ihren Gedanken nach. Schließlich sagte Walter: »Ich habe gehofft, dass ihr euch mögt.«
    Amber sah auf. »Du wünschst dir Steve Emslie tatsächlich als Schwiegersohn?«
    »Warum nicht? Er ist fleißig, gesund und sieht gut aus. Er ist auf eine gewisse Weise clever und lässt sich bestimmt nicht die Butter vom Brot nehmen. Es gibt Schlechtere, Amber. Das habe ich dir schon einmal gesagt.«
    Amber stand auf. Sie wunderte sich, dass sie nicht wütend wurde. Ganz ruhig sah sie ihn an und schüttelte den Kopf. »Ich werde Steve Emslie niemals heiraten. Eher gehe ich und suche mir anderswo mein Auskommen.«
    Walter stand ebenfalls auf und legte Amber seine Hand auf die Schulter. Ebenso ruhig wie sie erwiderte er: »Es wäre gut, wenn du noch einmal darüber nachdenken würdest, wie es wäre, ihn als Mann zu haben.«
    Eigentlich müsste der Boden unter meinen Füßen schwanken, dachte Amber. Doch sie fühlte noch immer eine große Ruhe in sich. Eine Ruhe, die der bedrohlichen Verzweiflung zum Verwechseln ähnlich war und die ihr die Kraft gab, nach der sie in den letzten Tagen vergeblich gesucht hatte.
    »Ich liebe einen anderen, Vater. Ich liebe Jonah. Und ihn werde ich heiraten.«
    Ihre Worte kamen so ruhig, dass es ihr selbst unheimlich vorkam. »Wenn du möchtest, dass deine Tochter glücklich wird, so schicke Steve fort. Solange er hier ist, wird es auf Carolina Cellar keinen Frieden geben.«
    Amber sah, dass ihr Vater von einer Minute auf die andere alt wurde. Plötzlich gruben sich tiefe Falten in Walter Jordans Gesicht. Sein Haar schien an Farbe zu verlieren, die Schultern schienen sich zu senken und der Rücken krumm zu werden.
    Er tat ihr leid, und sie wäre ihm gern eine gehorsame Tochter gewesen. Aber sie konnte nicht anders. Sie würde Steve Emslie niemals heiraten. Sie gehörte zu Jonah.
    »Es tut mir leid, Vater«, sagte sie leise. Dann drehte sie sich um und ging aus dem Zimmer.
    Plötzlich hielt sie nichts mehr im Haus. Sie glaubte zu ersticken. Wie gehetzt lief sie die Treppe hinunter und zur Haustür hinaus, den Hügel hoch bis zu dem kleinen steinernen Kreuz mit dem gekreuzigten Herrn, das auf Wunsch ihrer Mutter vor vielen Jahren hier aufgestellt worden war.
    Sie setzte sich auf den Boden, lehnte den Rücken an den kühlen Stein und sah zum Gutshaus hinüber.
    Der dreigeschossige Bau aus rotgelbem Sandstein lag wie ein friedlich schlummerndes Tier in der Sonne. Die grünen Balkons waren von Aluunda mit Blumen bepflanzt worden, die hölzernen Läden mit frischer grüner Farbe versehen. Um das gesamte Haus zog sich eine Veranda, die von einem grünen Holzgeländer begrenzt war. Auf der Vorderseite befand sich ein großer Tisch mit zahlreichen Rattanstühlen. Hier wurde in den warmen Monaten oft das Essen eingenommen. Die Südveranda aber war ein Reich der Muse. Da stand ein Liegestuhl, daneben ein kleiner Tisch mit Büchern und Zeitschriften. Walter Jordan verbrachte hier seine freie Zeit. Eine Hängematte verriet, dass auch Amber oft dort verweilte.
    Heiter wirkte das Haus, fröhlich sogar. Immer hatte sich Amber darin wohlgefühlt. Dieses Haus und Carolina Cellar waren das, was sie unter Heimat verstand. Hier, hatte sie gedacht, könnte sie so sein, wie sie war.
    Doch jetzt war der rosarote Strahlenkranz, den sie um ihre Zukunft gewunden hatte, verwelkt.
    Amber saß, bis der Abend hereinbrach. Sie sah die Arbeiter aus den Weinbergen kommen, sie hörte das Geräusch der beiden Traktoren, hörte auch Steves Geländewagen, der mit Fässern beladen davonfuhr und kurz darauf leer wieder zurückkam. Sie wusste, dass sie ins Haus gehen sollte, doch es gab nichts, was sie dorthin trieb. Am liebsten wäre sie für immer hier sitzen geblieben.
    Sie hörte Aluunda nach ihr rufen, sah, wie die alte, schwarze Frau die Wäsche von einer Leine nahm und Minze für die Limonade pflückte. Einmal hielt Aluunda inne und sah zu ihr hoch. Wenig später stand

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