Unter dem Teebaum
Rinderfarm, um zu wissen, wie eine Geburt abläuft. Aber jetzt muss ich dich für einen Augenblick allein lassen. Wir brauchen heißes Wasser und warme Tücher. Ich lass die Tür offen. Schrei, wenn etwas ist.«
Er stand auf, krempelte sich die Ärmel hoch, dann hörte sie ihn ins angrenzende Badezimmer gehen, wo er den Wasserhahn aufdrehte.
Die nächste Wehe kam mit einer unglaublichen Wucht. Steve war bei ihr, wischte ihr den Schweiß von der Stirn, massierte ihren Bauch.
»Du musst pressen«, sagte er. »Sobald die nächste Wehe kommt, musst du pressen. Es dauert nicht mehr lange. Sei tapfer, mein Täubchen.«
Er lächelte sie an, streichelte sie, beruhigte sie. Zum ersten Mal fühlte sich Amber in seiner Nähe wohl und geborgen. Mehr noch, sie fühlte sich ihm nahe. Ihr Blick suchte seinen, ihre Hand griff nach seiner. Nur sie beide gab es in diesem Augenblick. Steve und Amber. Er sah, wie ihr Widerstand schmolz. Langsam beugte er sich über sie, strich ihr zart über die Wange. Er näherte sein Gesicht dem ihren, spitzte die Lippen zum Kuss. Sie sah sich in seinen Augen, staunte über die Wärme seines Blickes, mit dem er ihr Gesicht umfing und sie streichelte. Ja, Steve konnte mit Blicken streicheln.
Plötzlich hielt Amber es für möglich, mit Steve und dem Kind zu leben. Der Gedanke raste durch ihren Kopf wie ein Irrlicht. Was wäre daran so schlimm, mit ihrem Mann und ihrem Kind eine Familie zu sein? Sich zu benehmen wie eine Familie? Dinge zusammen zu tun, die Familien gemeinhin machen? Ein Kind gemeinsam großzuziehen.
Doch dann fiel ihr ein, dass das Kind nicht von ihm war und dass es schwarz war. Sie versteckte das Lächeln, zog sich zurück von Steve, obwohl es ihr ein wenig wehtat. Aber sie konnte doch nicht in der Stunde der Geburt den Vater des Kindes verraten! Ja, und jedes Lächeln für Steve war ein Verrat an Jonah, jeder Kuss ein Verbrechen. So dachte sie, so empfand sie.
Hätte sie ihr Lächeln auf dem Gesicht halten können, wäre vielleicht alles noch ganz anders geworden.
Sie sah, wie sich Steves Gesicht veränderte, hart wurde. In seinem Blick lag Enttäuschung.
Beinahe tat er ihr leid. Beinahe tat sie sich selbst leid. Steve freute sich auf das Kind. Doch nur sie wusste, dass seine Freude schon sehr bald einen kräftigen Dämpfer erhalten würde. Sie hatte Angst vor diesem Moment.
Die nächste Wehe kam.
»Pressen«, rief Steve. »Du musst pressen.«
Amber tat ihr Bestes. Sie presste so stark sie nur konnte, presste ihre Angst heraus, die sich in einem kleinen Schrei entlud.
Nach der Wehe war sie so erschöpft, dass sie am liebsten eingeschlafen wäre. Sie sah Steve an, wünschte, er würde wieder nach ihrer Hand greifen. Doch er tat es nicht. Er nahm den Lappen, tupfte ihr den Schweiß von der Stirn, aber er schwieg.
Wieder kam eine Wehe.
»Das Kind kommt«, sagte Steve, und seine Stimme klang freudig erregt.
Noch einmal presste Amber, dann spürte sie den kleinen Leib aus ihrem Schoß gleiten. Steve hielt das Kind, nahm es hoch, sah es an.
»Es ist ein Junge«, sagte er, und die Worte schwollen in seinem Mund vor Stolz. »Für ein Siebenmonatskind ist er recht groß und kräftig.«
Behutsam durchtrennte er die Nabelschnur, wusch das Kind im warmen Wasser, wusch auch Amber, dann wickelte er den Säugling ungeschickt in ein Tuch und gab ihn seiner Frau. Amber betrachtete das Kind. Es war so winzig und noch ganz rosig. Das Köpfchen war von dichten schwarzen Haaren bedeckt, die Nasenlöcher gut ausgeprägt und die Augen glänzend schwarz wie Murmeln. Es sieht Jonah ähnlich, dachte Amber, und wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder darüber weinen sollte. Behutsam rieb sie ihre Wange an der zarten Babyhaut und roch an dem Kind. Ganz entfernt erinnerte sie dieser Geruch an Jonah.
»Es ist ein Junge«, sagte er noch einmal. Er war so glücklich, dass er Amber und das Baby abwechselnd zärtlich streichelte.
Amber sah das Glück und den Stolz in seinen Augen. Sie wandte ihr Gesicht ab. Doch sie tat es nicht, um ihn zu kränken.
Nein, diesmal tat sie es um seinetwillen. Ihn wollte sie schützen mit ihrer Reserviertheit. Es war das erste Mal, dass sie etwas für ihren Mann tat. Und es war das erste Mal, dass sie eine Seite an ihm fand, die liebenswert war. Das alles geschah am 11. Oktober 1958.
10
Euer Enkel ist zur Welt gekommen, Master, ein kleiner Junge«, berichtete Aluunda, als der Winzer nach Hause kam.
»Jetzt schon?«, fragte Walter Jordan.
Aluunda
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