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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ungläubig an. »Glaubst du, ich sei dein Zuchthengst?«, zischte er. »Glaubst du, du kannst nach mir pfeifen wie nach einem Hund oder einem Bushi? Ich bin dein Mann. Du musst mir gehorchen. Ich habe deinen schwarzen Bastard angenommen. Dafür bist du mir etwas schuldig.«
    »Ich habe nicht nach dir gepfiffen«, erwiderte sie. »Was bin ich dir schuldig? Wie hoch ist der Preis für meinen Sohn?«
    »Du wirst dich in Zukunft deinem Mann mit etwas mehr Liebe widmen«, verlangte er. »Du wirst mir vor Gott und den Menschen eine gehorsame Ehefrau sein. Hast du mich verstanden?«
    Amber nickte. »Ich werde dir vor den Menschen eine gute Ehefrau sein. Was ich aber vor Gott bin, geht dich nichts an.«
    Sie stand auf, öffnete eine Truhe und holte ein zweites Kissen und eine dünne Zudecke daraus hervor. Sie legte das Bettzeug neben sich und wies mit der Hand einladend auf die Matratze. »Der Platz neben mir ist frei. Du kannst hier schlafen, wenn du willst.«
    »Brav«, lobte Steve und tätschelte ihr die Wange. Amber wich zurück, ging zur Wiege ihres Sohnes und rückte sie dicht an die Seite des Bettes, auf der sie schlief.
    Steve lag bereits und sah mit zusammengekniffenen Lippen auf die Wiege.
    »Wenn du meinem Sohn etwas antust, dann töte ich dich«, sagte sie, und Steve sah, dass sie es genau so meinte.

12
    Walter Jordan kümmerte sich um den Verkauf des Weins. Er hatte Amber nicht davon abhalten können, weiterhin als Kellermeisterin tätig zu sein. Amber wusste, dass es sein Alter und die Schuld waren, die ihm die einstige Strenge geraubt hatten. Jeden Tag war sie in den Weinbergen oder im Keller, doch sie sprach nie darüber und wurde von niemandem zu ihrer Meinung befragt. Früher war das anders gewesen. Steve, Walter und Amber hatten sich über das Gut unterhalten, hatten einander um Rat gefragt, hatten, wenn es um das Gut ging, am selben Strang gezogen. Nun war Walter nur noch selten zu Hause. Er reiste durch Australien wie ein Handelsvertreter, bot überall seinen Wein an, doch auch er konnte nicht verhindern, dass sich der Wein schlecht verkaufte.
    Amber kannte die Ursache dieser Krise. Sie hatte ihr erstes Jahr als Winemaker auf dem Gut verbracht, hatte den ersten Wein gekeltert, der nun zum Verkauf stand. Der Inhaber einer großen Hotelkette war zu einer Weinprobe gekommen.
    Amber wusste, dass der Wein gut war. Er war vielleicht nicht besser als der Wein der anderen Winzer, aber er hatte eine eigene Note.
    Miller, der Einkäufer, hatte mit Walter Jordan und Amber auf der Veranda gesessen und die neuen Weine verkostet.
    »Gut«, lobte er. »Ich nehme zweitausend Flaschen. So wie immer.«
    Jordan nickte zufrieden. Die Hotelkette war seit Jahren ein großer und wichtiger Kunde des Carolina Cellar.
    »Ich kaufe euch die Flasche zu fünfundzwanzig Pence ab«, bot Miller an.
    Walter Jordan lachte. »Ihr seid ein Witzbold, Miller.«
    Der Einkäufer schüttelte den Kopf. »Nein, Jordan, ich mache keine Witze. Fünfundzwanzig Pence, das ist mein erstes und mein letztes Wort.«
    Der Winzer runzelte die Augenbrauen. »Wie kommen Sie auf diesen Preis, Miller? Meine Weine sind mehr wert als zweieinhalb Shilling pro Flasche, und das wissen Sie auch. Unter fünf Shilling kann ich sie nicht verkaufen.«
    Der Einkäufer setzte sich gerade hin. »Ist das Ihr letztes Wort?«
    Walter Jordan nickte, doch sein Gesicht war vor Verwunderung ganz schmal.
    Miller erhob sich. »Dann bleibt mir nur, Ihnen für die Zukunft alles Gute zu wünschen.«
    Er klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch und wandte sich zum Gehen.
    »Moment mal! Was soll denn das?«, fragte Jordan. »Sie haben mir nie weniger als fünfzig Pence pro Flasche gezahlt. Was ist los? Warum bieten Sie in diesem Jahr nur die Hälfte?«
    Miller blieb stehen, und Amber hatte den Eindruck, dass er ihren Vater mitleidig ansah. »Wissen Sie das wirklich nicht?«, fragte er.
    Walter Jordan schüttelte den Kopf.
    »Frauen werden geringer bezahlt als Männer. Das ist überall so. Ihr Wein wird von einer Frau gemacht. Also wird dafür weniger bezahlt.«
    »Wie bitte?«
    Amber sprang auf. »Ich mache den Wein, weil ich studiert habe, wie man so etwas macht. Ich bin ein Winemaker mit Diplom, und ich mache meinen Job nicht schlechter, als ein Mann ihn machen würde. Sie sagten selbst, unser Wein wäre so gut wie immer.«
    Miller zuckte mit den Achseln. »Es ist, wie es ist. Ich biete fünfundzwanzig Pence. Wenn Sie nicht verkaufen möchten, dann kann ich es nicht ändern. Ich

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