Unter dem Teebaum
glaube auch nicht, Jordan, dass Sie in diesem Jahr viele Anfragen erhalten werden. Unsere Branche ist klein, Gerüchte streifen wie wilde Dingos durch das Land. Wein, den eine Frau gemacht hat, ist einfach weniger wert als der Wein erfahrener Winzer.«
Walter Jordan starrte ihn noch immer ungläubig an. »Sie haben ein besseres Angebot, nicht wahr?«, fragte er. Seine Miene aber verriet, dass er einfach nicht verstehen konnte, dass der von einer Frau gemachte Wein weniger kosten sollte als der Wein eines Mannes.
Miller schüttelte den Kopf. »Ich bin nach wie vor bereit, fünfzig Pence pro Flasche zu zahlen. Doch ich muss sicher sein, dass der Wein auch gekauft wird. Der Wein einer Frau, noch dazu mit einem schwarzen Kind, verkauft sich aber nicht. Lambert hat mir ein Angebot gemacht, das ich nicht abschlagen kann. Er wird mir die zweitausend Flaschen liefern. Es sei denn, Jordan, Sie verkaufen für fünfundzwanzig Pence.«
Walter Jordans Gesicht lief rot an. Er rang nach Atem und erhob sich schwer aus seinem Stuhl. Dann aber stand er und brüllte, wie Amber ihn noch nie hatte brüllen hören: »Raus! Verlassen Sie mein Gut, und wagen Sie sich nie wieder über meine Schwelle!«
Miller nahm seinen Hut und ging, doch nach einigen Schritten hielt er inne. »Sie machen einen Fehler, Jordan.«
»Raus! Scheren Sie sich zum Teufel.«
Das Erlebnis hatte Amber gekränkt, sie aber nicht an sich und ihren Fähigkeiten zweifeln lassen. Nun aber war sie schwanger. Schwanger von Steve. Sie trug schwer an seinem Kind in ihrem Leib. In den ersten drei Monaten wurde sie von ständiger Übelkeit geplagt, nun, im sechsten Monat, war ihr Bauch so dick, dass sie sich kaum noch bücken konnte. Sie fühlte sich unsagbar matt und müde.
Steve, der ihr bei der ersten Schwangerschaft eine große Hilfe gewesen war, kümmerte sich kaum um sie. Amber wusste nicht, was in ihn gefahren war, denn sein Tagesablauf hatte sich stark gewandelt. War er früher beim ersten Hahnenschrei aufgewacht, so ging er nun zu diesem Zeitpunkt zu Bett. Oft schlief er bis in die späten Morgenstunden, während seine Arbeiter tatenlos unter einem Baum saßen und Karten spielten. Kam er dann heraus, so schrie er sie an und beschimpfte sie wegen ihrer Faulheit. Er bürdete ihnen Aufgaben auf, die in seiner Verantwortung lagen, und geriet außer sich vor Wut, wurden diese nicht genau so erfüllt, wie er sich das vorgestellt hatte. Manchmal aber verschwand er auch schon nach dem Frühstück, und Amber erfuhr später, dass er den ganzen Tag in einem Pub verbracht hatte.
»Was ist los mit dir?«, hatte sie ihn eines Abends gefragt. »Ich bin schwanger und schaffe die Arbeit auf dem Gut nicht allein.«
»Dann lass dir doch von deinem schwarzen Bastard helfen«, hatte Steve geantwortet. »Er ist dir doch das Wichtigste hier. Mein Kind aber scheint dir nicht einmal wichtig genug zu sein, dass du es gut hütest. Eine Schwangere hat nichts im Weinkeller zu suchen. Willst du mein Kind umbringen?«
Amber schüttelte fassungslos den Kopf. »Was redest du da?«, fragte sie. »Es schadet dem Kind nicht, wenn ich im Weinkeller bin.«
»Eine Frau gehört ins Haus. Die Leute reden schon. Du seist eine schlechte Mutter, sagen sie. Ginge es nur um den Bastard, wäre es mir gleichgültig. Jetzt aber geht es um mein Kind.«
Amber verstand. »Du lässt mich hier allein, weil du möchtest, dass ich die Arbeit nicht schaffe. Du möchtest, dass ich krank werde darüber, damit es endlich einen triftigen Grund gibt, mich an Haus und Herd zu fesseln. Du möchtest mir auf die Art beweisen, dass eine Frau eben doch nicht zum Winemaker taugt.« –
»Denk, was du willst. Ich weiß, was ich sehe und höre, was die Leute reden«, entgegnete Steve und machte sich auf den Weg in den Pub.
* * *
Alle Arbeit war nun ihr aufgebürdet. Sie stand auf, kaum dass die ersten Sonnenstrahlen sich daranmachten, die Herrschaft der Nacht zu brechen. Sie versorgte ihren kleinen Sohn, dann erstellte sie Einkaufslisten für Aluunda und besprach das Essen mit ihr. Kaum war sie damit fertig, kümmerte sie sich um die Arbeiter. Sie ging mit den Männern hinauf auf die Weinberge, prüfte Blätter und Trauben, befahl ihnen zu düngen und die Schädlinge zu bekämpfen, den Boden zu lockern, zu kontrollieren, ob die Reben noch am Drahtgeflecht hingen und sich gut entwickeln konnten. Anschließend sah sie nach Jonah, weckte ihn, zog ihn an, machte ihm Frühstück und setzte sich neben ihn. Dann spielten sie, oder
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