Unter dem Teebaum
lächelte leise und erwiderte: »Du wirst schon sehen.«
»Du kannst mein Auto haben, wenn du den Landrover nicht benutzen möchtest«, sagte sie, als könnte sie Ambers Gedanken lesen. »Der Schlüssel hängt am kleinen Brett.«
»Danke.« Amber drückte ihrer alten Kinderfrau einen Kuss auf die weiche, warme Wange, nahm den Schlüssel und machte sich auf den Weg nach Tanunda.
Am Supermarkt machte sie halt und stellte das Auto auf dem Parkplatz ab.
Sie lief ziellos zwischen den Regalen entlang auf der Suche nach etwas, das sie nicht benennen konnte. Sie hatte den Gedanken und die Erinnerungen an Jonah verdrängt. Das durfte nie wieder vorkommen. Jetzt wollte sie etwas kaufen, das sie ständig daran erinnerte, wie wichtig es war, sich zu erinnern.
Endlich fand sie die Kerzen. Die Hitze hatte sie verbogen und unansehnlich gemacht, doch das störte Amber nicht. Sie nahm mehrere dicke Kerzen und legte sie in ihren Korb.
Der Deckenventilator, der über ihr träge seine Blätter schwang, hörte plötzlich auf zu rotieren und wurde still. Mit einem Mal waren die Gespräche der anderen Kunden zu hören.
Amber spähte zwischen dem Regal hindurch und sah zwei Frauen, die sich unterhielten. Eine von ihnen war Maggies Schwägerin.
»Eine Rabenmutter ist sie«, hörte Amber sie sagen und nahm an, dass die Frauen über Maggie sprachen.
»Ja, das ist sie wirklich. Das Kind ist klein und schwach. Es gedeiht nicht. Wie soll es auch wachsen, wenn sich niemand kümmert? Wer weiß, vielleicht gibt sie ihm nicht einmal genügend zu essen und zu trinken.«
»Eine Schande ist es. Eine Schande für ganz Barossa Valley. Wo in Australien maßt sich eine Frau an, Winemaker zu sein? Eine Frau mit einem Baby gehört zu ihrem Kind.«
In diesem Augenblick begriff Amber, dass die Frauen über sie sprachen. Sie hielt den Atem an.
»Ich kann sie ein bisschen verstehen«, erklärte die Schwägerin nun. »Auch ich könnte ein schwarzes Kind nicht lieben. Sie sind hässlich, diese Schwarzen. Sie sehen aus wie Affen.«
»Trotzdem«, beharrte die andere. »Eine Mutter ist eine Mutter und hat Pflichten. Das war schon immer so. Eine Frau gehört ins Haus.«
Sie beugte sich vor und flüsterte so laut, dass Amber sie gut verstehen konnte: »Vielleicht ist der kränkliche Bastard eine Strafe Gottes? Dafür, dass sie sich wie eine Hure mit einem Schwarzen eingelassen hat und sich jetzt weigert, Dinge zu tun, die eine Frau tun muss.«
Die andere nickte bestätigend und verschränkte die Arme bequem vor der Brust. »Du hast recht, sie ist keine richtige Frau. Sie ist ein Mannweib, ein verhurtes. Frauen wie sie landen normalerweise in einem Bordell in Sydney. Sie kann von Glück sagen, dass Steve Emslie sich ihrer erbarmt hat. Es heißt, wenn er nicht auf das schwarze Kind achten würde, wäre es schon tot. Es heißt, sie ist den ganzen Tag im Weinkeller, während das Kind sich die Seele aus dem Leib schreit.«
Maggies Schwägerin nickte. »Ich habe Maggie gesagt, sie soll sich von ihr fernhalten. Früher, als sie noch normal war, da waren sie sogar befreundet. Jetzt aber wird Maggie nur Schaden nehmen, wenn sie mit ihr verkehrt. Vielleicht steckt sich die kleine Diana sogar bei dem Schwarzen an? Wer weiß, was dieses Kind hat? Am Ende ist es innerlich von Würmern zerfressen. Man weiß ja nicht, was sie mit dem armen Kind macht, die Rabenmutter.«
Amber hatte genug gehört. Die Worte der Frauen hatten sie verletzt, sodass sie am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre.
Ja, sie war Jonah keine gute Mutter gewesen, aber eine Frau, die ihren kleinen Sohn vernachlässigt, war sie trotzdem nicht.
Langsam und nachdenklich ging sie zur Kasse, bezahlte die Kerzen und stand dann auf dem Parkplatz. Sie wollte noch nicht nach Hause. Es gab da noch etwas, das sie regeln musste.
Sie verließ den Parkplatz und ging zur Kirche.
In der Kirche war es still und kühl. Eine alte Frau kniete in einer Seitenkapelle. Als sie Amber sah, bekreuzigte sie sich, stand auf und ging.
Amber ging zu der Kapelle, die am weitesten vom Hauptaltar entfernt stand. Sie zündete eine Kerze an und stellte sie auf, dann kniete sie sich nieder und begann zu beten: »Himmlischer Vater, bitte hilf mir, meinem Vater und meinem Ehemann zu vergeben. Erst wenn ich ihnen vergeben kann, werde ich Ruhe finden.«
Sie sah in die Kerzenflamme und spürte plötzlich, wie ihr die Tränen kamen. Sie weinte still, ließ die Tränen rinnen. Lange kniete sie so, die Hände im Schoß und den Blick
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