Unter dem Teebaum
schickte ihn zurück ins Bett.
»Lass mich erst sehen, was passiert ist. Wenn du gebraucht wirst, dann rufe ich dich.«
Steve war gerade dabei, sich in Ruhe auszuziehen. In Gedanken war er noch immer bei den Frauen im Puff. Als er den Schrei hörte, stand er auf, warf sich einen alten Bademantel über und verließ in aller Eile barfuß sein Zimmer.
Auf dem Gang kam ihm Aluunda entgegen. Er hielt sie am Arm fest: »Was ist geschehen?«
»Der alte Master«, sagte sie. »Er ist sehr krank.«
Dann eilte sie weiter zum Telefon und versuchte erneut, Dr. Lorenz zu erreichen, der einfach den Hörer nicht abnahm.
In Walter Jordans Schlafzimmer kniete Amber mit gelösten Haaren auf dem Boden und sprach beruhigend auf ihren Vater ein, der die Hand auf die Brust presste und anscheinend große Schmerzen hatte.
»Wir müssen ihn schnellstmöglich ins Krankenhaus bringen«, stellte Steve fest.
Amber sah hoch.
»Ich glaube nicht, dass wir ihn transportieren können.«
Walter stöhnte und schloss gequält die Augen.
Amber war bestürzt und ängstlich. Vor einigen Stunden hatte sie ihrem Vater den Tod gewünscht. Aber sie hatte es doch nicht wirklich gewollt. Gott wusste, dass sie ihrem Vater nicht wirklich den Tod gewünscht hatte! Und jetzt lag er hier, und es war alles ihre Schuld.
Sie sah ihn an, hilflos und ängstlich. Der alte Mann stöhnte.
»Was genau tut dir weh?«, fragte Amber, doch Walter antwortete nicht. Er sah seine Tochter an, und sein Blick flackerte dabei.
»Vater«, bat sie flehentlich. »Vater, bitte bleib hier, bleib bei mir.«
Sie sah zu Steve, und ihr Blick war so voller Verzweiflung und Hilflosigkeit, dass Steve den Kopf abwandte. Steve drängte darauf, seinen Schwiegervater sofort in das nächste Hospital zu fahren. Er darf nicht sterben, war alles, was er denken konnte. Wenn er stirbt, lässt Amber sich scheiden.
»Fass mit an!«, befahl er Jonah. »Wir fahren ihn nach Tanunda.«
Jonah gehorchte. Vorsichtig richteten sie den alten Mann auf. Steve kramte in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel und warf ihn Amber zu. »Fahr den Landrover vor die Tür.«
Amber tat, wie ihr geheißen. Sie fühlte nichts, sie war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, doch sie nickte, lief aus dem Haus, und wenig später stand der Rover vor der Tür.
Behutsam setzten sie Walter Jordan hinein. Dann klemmte sich Steve eilig hinter das Lenkrad. »Ich fahre zum Tanunda Hospital. Ihr könnt mit dem Pkw nachkommen.«
Jonah und Amber nickten, doch Amber hatte inzwischen so zu zittern begonnen, dass sie unmöglich Auto fahren konnte.
Aluunda zog sie am Ellbogen zu ihrem alten, schäbigen Auto. »Setz dich rein, ich fahre«, befahl sie, und Amber gehorchte.
Kurze Zeit später erreichten sie das Hospital.
»Ihrem Vater geht es den Umständen entsprechend gut. Er hatte einen Schlaganfall«, sagte der Arzt.
17
Zwei Wochen später war Walter Jordan wieder zu Hause. Er saß in einem Rollstuhl. Die linke Seite war gelähmt geblieben, Walter konnte nicht mehr sprechen.
Amber betrachtete ihren Vater, der im Rollstuhl auf der Veranda stand und über sein Gut blickte. Sie sah den Ausdruck in seinen Augen und wusste in diesem Augenblick, dass er ein geschlagener Mann war. Warum nur war er nicht gestorben, dachte sie gereizt. Doch dann schämte sie sich so ihrer Gedanken, dass sie zu ihrem Vater lief, sein Gesicht streichelte, sich neben den Rollstuhl hockte und fragte: »Kann ich dir etwas Gutes tun? Möchtest du etwas trinken?«
Der Mann öffnete den Mund, wollte etwas erwidern, doch seine Zunge entzog sich dem Befehl. Speichel quoll ihm aus dem Mund, und Walter Jordan schloss vor Pein die Augen. Amber nahm ein Taschentuch und tupfte seinen Mund damit ab. Walter ließ sich zurücksinken und sah seine Tochter mit dem Ausdruck der völligen Verzweiflung an.
»Jonah wird nach den Ferien auf ein Internat nach Sydney gehen, aber er braucht dich trotzdem. Du bist für ihn wie ein Vater«, sagte sie, weil ihr sonst nichts einfiel.
Walter sah sie lange an, sehr lange. Es war, als wollte er sich alle Züge ihres Gesichts für immer einprägen.
Amber stiegen die Tränen in die Augen. Sie wollte, dass es ihrem Vater gut ging. Ja, sie wollte es. Aber warum musste sie nur so schwer dafür arbeiten? Außer ihren täglichen Aufgaben musste sie nun noch ihren Vater betreuen, ihm beim Aufstehen, Waschen, Anziehen, Essen und Trinken helfen, ihn in die Sonne, in den Schatten, auf die Veranda, in sein Zimmer und wieder zurück
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