Unter dem Teebaum
gut behandelst. Ich weiß, dass du das kannst.«
Peena legte einen Finger an ihre Lippen und sah nachdenklich auf den weißen Mann. Er war anders. Sie glaubte ihm, dass er jedes Wort, das er sprach, ganz aufrichtig meinte. Aber wie lange?
»Hier ich verdiene eigenes Geld«, sagte sie.
»Oh, natürlich. Auch bei mir bekommst du dein eigenes Geld. Ich zahle dir doppelt so viel, wie du hier verdienst. Ist das in Ordnung?«
Peena überlegte noch ein Weilchen. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass es nicht gut war, einem Deal sofort zuzustimmen.
Schließlich fiel sie ihm mit einem Lachen um den Hals und sagte: »Gut, weißer Mann. Ich komme mit dir. Dein Schwiegervater wird es gut haben bei mir.«
Während Steve noch mit Amanda redete, packte Peena ihre wenigen Sachen in ein schäbiges Pappköfferchen und stand schon neben dem Landrover, als Steve das Bordell verließ.
»Liebe Mama, lieber Großvater, meine liebe Emilia,
heute habe ich mein erstes Zeugnis an der neuen Schule bekommen. Stellt Euch vor, ich habe nur zwei Zweien, ansonsten in allen Fächern eine Eins. Es gefällt mir noch immer auf der Schule und im Internat. Meine Lehrerin sagt, ich hätte gute Aussichten, einmal auf die Universität zu kommen. Und, liebe Mama, das möchte ich auch. Ich bin jetzt ganz fest entschlossen, Arzt zu werden wie Ralph Lorenz. Grüße an alle von
Jonah.«
Amber ließ den Brief sinken. Sie wusste nicht, ob Walter alles verstanden hatte, doch sein Gesicht zeigte einen glücklichen Ausdruck. Auch Peena, seine Pflegerin, die alle im Haus mochten, lächelte. »Er ist ein guter Junge«, sagte sie.
Amber lächelte. »Ja, das ist er. Aber du, Peena, bist auch ein gutes Mädchen.«
Peena senkte den Blick. Sie mochte die Frau ihres weißen Mannes. Und sie wusste, dass Amber von ihrem Verhältnis mit Steve wusste.
»Du tust ihm gut«, hatte sie einmal gesagt, als sie nachts auf Peena stieß, die aus Steves Zimmer kam und so gut wie nichts anhatte.
Sie war gern auf dem Gut. Die Arbeit mit Walter Jordan machte ihr Spaß. Der alte Mann war freundlich, wenn auch traurig. Die weiße Missus war gerecht zu ihr und behandelte alle Schwarzen gut. Und Steve? Ja, Peena hatte sich an ihn und die Nächte mit ihm gewöhnt. Sie würde etwas vermissen, wenn es sie nicht mehr gäbe. Und sie vermisste Steve tatsächlich, wenn er auf Reisen war. Er hatte inzwischen Walters Aufgaben übernommen.
Jedes Mal, wenn er wiederkam, wartete Peena schon lange vorher am Fenster. Kam er die Auffahrt heraufgefahren und blickte zuerst zu ihr, dann war sie glücklich und begann, sich für die Nacht schön zu machen, während er seine Familie begrüßte und das Geschenk für Emilia auspackte.
Jetzt sprang Emilia zu ihrem Großvater auf den Schoß, kuschelte sich an den alten Mann und rieb ihre zarte Wange an seiner.
Amber lachte. »Lass ihn am Leben«, sagte sie und holte ihre stürmische Tochter aus dem Rollstuhl. »Du bist allmählich zu groß und zu schwer, um noch auf Großvaters Schoß zu sitzen. Ralph wird gleich kommen. Dann können wir essen. Ich schlage vor, du gehst dir schon einmal die Hände waschen.«
Maulend gehorchte Emilia, doch Amber störte sich nicht daran. Sie spähte die Auffahrt hinunter und hielt Ausschau nach dem roten Toyota, den Ralph sich kürzlich gekauft hatte.
Seit der Nacht im Weinberg hatte es zwischen ihnen keine Zärtlichkeiten mehr gegeben, und doch wusste Amber, dass er sie liebte.
Und ja, sie liebte ihn auch. Manchmal war diese Liebe so stark, dass sie am liebsten mit ihm durchgebrannt wäre. Dann dachte sie, wie auch jetzt wieder, an ihren Vater und an Emilia.
Sie hatte den Gedanken noch nicht bis zum Ende gedacht, als sie den neuen Wagen die Auffahrt heraufkommen hörte.
Ralph stieg aus, und ein Leuchten ging über sein Gesicht, als er Amber auf der Veranda stehen sah.
»Was gibt es Neues?«, fragte er, wie immer.
»Jonah hat geschrieben.«
Amber reichte ihm den Brief, und Ralph las. »Er klingt, als hätte er ein wenig Heimweh, nicht wahr?«, fragte er dann.
»Nun, er hat schon überschwänglicher geschrieben, da hast du wohl recht.«
»Und du? Hast du nicht manchmal Sehnsucht nach ihm?«, fragte Ralph.
Amber nickte. »Und ob! Er fehlt mir. Sehr sogar. Aber ich sage mir immer wieder, dass es ihm in Sydney besser geht als hier. Das tröstet mich.«
Sie warf einen Blick auf ihren Vater, der in seinem Rollstuhl vor sich hin döste.
»Gott weiß, wie gern ich Jonah in Sydney besuchen möchte«, fügte sie hinzu.
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