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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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»Aber ich kann einfach nicht weg hier.«
    Ralph kam ganz dicht an sie heran. »Oh doch, Amber, das kannst du. Wir beide werden übernächstes Wochenende nach Sydney fliegen. Margaret wird kommen und sich um alles kümmern. Steve wird da sein und Peena. Du hast noch niemals Urlaub gehabt. Es wird Zeit, dass du einmal ein paar Tage hier herauskommst.«
    »Wie soll das gehen?«
    Amber schüttelte den Kopf, dann sprach sie weiter: »Oh, wie gern würde ich einmal nach Sydney fahren! Wie gern würde ich Jonah besuchen! Ich bin wahrhaftig seit Jahren nicht mehr aus Tanunda herausgekommen. Und in Sydney bin ich noch nie gewesen.«
    »Wir könnten die Oper besuchen«, lockte Ralph und tippte dabei einen großen Traum Ambers an.
    Vor einem Jahr war in Sydney das neue Opernhaus eröffnet worden. Amber hatte alle Nachrichten in den Zeitungen und im Rundfunk darüber verschlungen. Auch das Fernsehen hatte berichtet, und Amber, die sich sonst niemals vor den Apparat setzte, hatte die Eröffnungsfeier mit Tränen in den Augen verfolgt.
    »Wir könnten Jonah mit in die Oper nehmen. Er liebt Musik, das weißt du«, lockte Ralph weiter.
    »Aber … aber was sollen wir Steve sagen?«, fragte Amber. »Er wird mich nicht mit dir fahren lassen.«
    Ralph lächelte geheimnisvoll. »Lass das nur meine Sorge sein. Ich werde ihm sagen, dass eine große Hotelkette sich für euren Wein interessiert. Er wird nicht nach Sydney fahren wollen, weil er die großen Städte nicht mag. Also wird er erleichtert sein, wenn du ihm diese Reise abnimmst.«
    Amber schöpfte Hoffnung. Sie nahm Ralphs Hand und drückte sie ganz fest.
    »Es wäre schön, Ralph. Es wäre so wunderwunderschön, mit dir nach Sydney zu fahren und Jonah zu sehen. Ich bin noch nie in der Oper gewesen.«
    Walter hatte das Gespräch mitbekommen. Wenn er sich auch nicht mehr so gut ausdrücken konnte und seine Zunge ihm nicht mehr gehorchte, so war sein Verstand doch so klar wie eh und je. Er klopfte auf die Lehne seines Rollstuhles und machte Amber so auf sich aufmerksam.
    Dann deutete er mit dem Finger seiner nicht gelähmten Hand auf Ralph und Amber und nickte heftig mit dem Kopf.
    Peena, die Ambers letzte Sätze gehört hatte, sagte: »Sehen Sie, Missus, Master Walter möchte, dass Sie nach Sydney fahren. Ich werde gut auf ihn aufpassen, wenn Sie nicht da sind. Fahren Sie ruhig; es würde uns alle freuen. Und Jonah ganz besonders.«

18
    Es ist … wunderschön!« – Amber hatte die Worte ganz leise gesprochen, fast geflüstert, doch Ralph wusste trotzdem, wie gerührt sie war.
    Sie standen auf der Harbour Brigde in Sydney und blickten auf das Opernhaus. »Ich habe noch nie ein so originelles Gebäude gesehen. Es sieht aus wie eine Muschel, nein, eher wie ein Blume, nein, auch nicht, ach, Ralph, ich weiß es nicht, aber es ist wunderschön.«
    »Der Architekt, heißt es, hätte sich von einer geschälten Orange inspirieren lassen«, erklärte Ralph. »Aber ich kann die Augen zukneifen, solange ich will, es will mir einfach nicht gelingen, mir eine weiße Orange vorzustellen.«
    Amber lachte. Sie trug ein helles Kleid, das zwar nicht der neuesten Mode entsprach, aber ihren Typ hervorragend zur Geltung brachte. Das Oberteil lag eng am Körper an und betonte ihre Oberweite und die schmale Taille. Der Rock schwang weit und reichte bis zur Mitte der Waden. Das Blau des Stoffes passte gut zum Grün ihrer Augen und verlieh ihnen einen intensiven Ton.
    Wie das Wasser des Pazifiks, dachte Ralph und rückte ein Stückchen näher an Amber heran.
    Hinter ihnen brauste der Verkehr der Drei-Millionen-Stadt Sydney auf acht Spuren an ihnen vorüber, doch sie ließen sich davon nicht stören.
    Hand in Hand waren sie über die fünfhundert Meter lange Harbour Brigde geschlendert und hatten den Blick über den größten Naturhafen der Welt schweifen lassen. Jetzt lehnten sie am Geländer, die Unterarme auf das graue Eisen gestützt, und sahen hinüber zum neuen Opernhaus, das erst vor wenigen Monaten von Queen Elizabeth II. eröffnet worden war.
    »Freust du dich auf heute Abend?«, fragte Ralph. Es war ihm mit viel Mühe gelungen, für die Abendvorstellung im Opera House noch drei Karten zu besorgen. Er liebte die Oper und war besonders froh, dass heute eines seiner Lieblingsstücke, »Norma« von Bellini, aufgeführt werden würde.
    Amber nickte. »Ja, sehr.«
    Dann sah sie auf ihre zierliche Armbanduhr. »Es ist schon vier Uhr, Ralph. Wir sollten zurück in die Stadt gehen, damit Jonah nicht auf

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