Unter dem Vampirmond 02 - Verfuehrung
vorzuwerfen hatten.
» Also « , sagte ich, als niemand das Wort ergriff. » Was ist los? «
» Ich habe gehört, du hattest gestern Nacht Besuch « , sagte Ezra mit einem missbilligenden Ton in der Stimme.
Milo wirkte betreten. Geistesabwesend zog er an dem Vorhang und riss ihn dabei fast herunter. Er errötete heftig und murmelte Entschuldigungen vor sich hin.
Seine Bewegungen waren unbeholfen und gleichzeitig anmutig. Die schlanken Finger wirkten elegant, doch er wusste noch nicht, wie er seine Kraft kontrollieren oder dirigieren sollte.
Als er einen Schritt vom Vorhang weg tat, stolperte er fast über einen Sessel, erlangte aber mit überraschender Leichtigkeit wieder das Gleichgewicht. Verlegen sank er in den Sessel.
» Die gute Nachricht ist, dass das alles völlig normal ist. « Ezra betrachtete Milo mit einem amüsierten Lächeln.
» Du findest dich gerade ein, Milo « , beruhigte ihn Mae. » Das haben wir alle durchgemacht. «
» Nicht alle « , murmelte ich vor mich hin, und Jack warf mir einen bedauernden Blick zu.
» Das ist einfach alles so ungewohnt! « , beschwerte sich Milo. Als er sich gegen die Rücklehne fallen ließ, warf er den Sessel fast um. Er ärgerte sich über sich selbst, und unter den makellosen neuen Gesichtszügen erkannte ich den frustrierten kleinen Jungen wieder, der er immer gewesen war. Wenn er ein Problem gehabt hatte, das er nicht lösen konnte, hatte er die Stirn in Falten gelegt und den Blick in die Ferne schweifen lassen. Es beruhigte mich, genau diesen Ausdruck an ihm zu sehen.
» Wie du siehst, hat sich Milo problemlos verwandelt « , erklärte mir Ezra. » Er hat kaum Schwierigkeiten gehabt. Er hat offensichtlich eine große Portion Selbstkontrolle. «
» Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie weniger unter Kontrolle gehabt! « , stöhnte Milo.
» Das kommt alles wieder, und noch viel mehr dazu « , erklärte ihm Mae. » Du hättest Jack mal sehen sollen nach seiner Verwandlung. Er war der reinste Chaot. «
» Am Anfang ist jeder ein bisschen von der Rolle « , sagte Ezra. » Genau deswegen hättest du gestern Nacht niemals zu Alice ins Zimmer gehen dürfen. «
» Es tut mir leid! « Milos Ton verriet mir, dass er sich schon hundertmal entschuldigt hatte.
» Es ist ja nichts passiert « , zerstreute ich Ezras Bedenken. » Es war doch nicht so schlimm. «
» Na ja, war es schon « , sagte Jack und sah mich ernst an. » Wenn ich nicht aufgewacht wäre … «
» Wäre er hungrig gewesen, als er dich besucht hat, dann wäre für dich jede Hilfe zu spät gekommen « , stimmte ihm Ezra zu.
Die Vorstellung, dass Milo mich umbringen könnte, war schrecklich. Aber sie konnten mich alle töten, und Milo zufolge wollten sie das auch. Ich fand es unfair, dass er als Einziger ein schlechtes Gewissen haben sollte und einen Aufpasser brauchte.
» Na ja, ich bin ja noch am Leben. Es wird nicht wieder vorkommen « , sagte ich.
» Du hast keinerlei Selbsterhaltungstrieb « , sagte Jack und sah mich vorwurfsvoll an.
» Nein, offensichtlich nicht. « Ich erwiderte gelassen seinen Blick. Wenn mir mein Leben lieb gewesen wäre, hätte ich ja wohl nicht meine Freizeit mit einer Horde Vampire verbracht.
» Das führt uns zum Anlass dieses Gesprächs « , sagte Ezra. » Milo kann aus verschiedenen Gründen nicht nach Hause zurückkehren. Er muss bei uns bleiben. «
» Klar. « Ich nickte.
Milo konnte nicht mehr in die Schule. Und da bei ihm alles gut verlaufen war, würde ich mich auch einfach verwandeln. Dann würde uns nichts mehr an unser altes Leben binden.
» Du dagegen wirst nicht bleiben. « Ezra sprach langsam, Wort für Wort betonend.
» Wie bitte? « Er schüttelte den Kopf. » Was meinst du? Warum darf ich nicht bleiben? Ich wollte doch nur wegen Milo überhaupt wieder nach Hause, und er ist jetzt hier! «
» Alice. « Ezra hob die Hand, um mich zu beruhigen. Ich spürte, dass auch Jack seine aufbrausenden Gefühle unterdrücken musste.
» Du bist sowieso die meiste Zeit hier « , sagte Jack.
» Das verstehe ich nicht. Wenn … wenn ich die ganze Zeit hier bin, warum muss ich dann überhaupt gehen? « In meiner Kehle bildete sich ein Kloß.
» Du bist hier nicht sicher « , erklärte mir Ezra. » Milo ist im Moment für Menschen sehr gefährlich. Er würde es nicht ertragen, wenn dir etwas zustieße. «
» Warum … « Ich verstummte, unfähig, die Worte auszusprechen, die mir auf der Zunge lagen. Warum konnte ich mich nicht einfach verwandeln? War
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