Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
ich meine letzten anderthalb Wochen Winterferien hier vergeude. Als Milo mich gefragt hat, ob ich nach Australien mitkomme, dachte ich an Sydney, Kängurus und Rifftauchen.«
» Ja, genau! Mae hat zwar gesagt, dass sie außerhalb der Zivilisation leben, aber ich dachte, dass wir die Zivilisation wenigstens besuchen würden.«
» Und dann stell dir mal vor, du verschwendest hier deine Zeit und musst wieder in die Schule, wenn du heimkommst«.Bobby grinste mich herausfordernd an, aber ich schüttelte entschieden den Kopf. » Ach, komm schon. Du solltest wenigstens deinen Abschluss machen.«
» Gib dir keine Mühe. Wenn Milo mich nicht dazu überreden konnte, wirst du es auch nicht schaffen«, sagte ich entschieden.
Milo musste die Schule Anfang der elften Klasse verlassen, weil er zum Vampir geworden war, aber er hatte sich jetzt so weit unter Kontrolle, dass er wieder hingehen konnte. Er hatte sich in irgendeiner Eliteprivatschule in Minneapolis eingeschrieben, um die elfte Klasse zu beenden, und am einundzwanzigsten Januar fing der Unterricht wieder an. Am selben Tag, an dem für Bobby das neue Semester an der Kunstakademie begann.
» Und was willst du ohne Abschluss aus deinem Leben machen?«, fragte Bobby.
» Was sollte ich denn aus meinem Leben machen, wenn ich nicht abbreche?«, fragte ich. » Ich kann doch nicht einfach acht Jahre lang Medizin studieren und danach immer noch aussehen wie achtzehn.«
» Du könntest einfach so tun, als seist du ein Wunderkind«, schlug er vor. » Oder du machst etwas, was nicht so lange dauert. Zum Beispiel eine Ausbildung zum Hundefrisör.«
» Hundefrisör? Ist das dein Ernst? Sehe ich etwa aus wie ein Hundefrisör?«
» Nein. Aber ich weiß nicht, was dich interessiert.« Bobby sah mich fragend an. » Hast du dir überhaupt irgendein Ziel gesetzt? Oder ist der Höhepunkt deiner Existenz das, was ich hier vor mir sehe?«
» Ich weiß nicht, aber ich habe eine Ewigkeit Zeit, das herauszufinden«, sagte ich ausweichend. Vor Kurzem hatte mich genau dieselbe Frage gequält.
Auf der Highschool hatte ich mir eigentlich nie Sorgen um Noten oder den Abschluss gemacht, es war mir einfach egal. Milo hingegen hatte die Schule schon immer viel ernster genommen und mich davon zu überzeugen versucht, dass eine Ausbildung und eine Karriere wichtig sind.
Obwohl Milo erst sechzehn und ein Vampir war, hatte er seine Meinung nicht geändert. Er wollte seine Highschool-Zeit an einer guten Schule beenden, das College besuchen und einen Job finden. Er plante immer noch, ein normales Leben zu führen und normale Dinge zu tun.
Als ich zum Vampir wurde, war ich zunächst froh. Aber nun, da ich nichts als Zeit hatte, fing ich allmählich an zu glauben, dass ich die Sache mit der Ewigkeit falsch eingeschätzt hatte.
» Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?« Bobby sah mich bedauernd an. » Du bist plötzlich so ruhig und guckst so traurig.«
» Nein, ich bin okay. Ich war nur in Gedanken.« Ich wischte meine trüben Gedanken beiseite und lächelte ihn an.
» Du sollst nicht denken. Wir sind im Urlaub!«, sagte Bobby mit gespieltem Optimismus und lehnte sich mit einem plötzlichen Anflug von Begeisterung vor. » Wir sollten etwas wirklich Lustiges machen. Kängurus jagen oder so.« Sein Lächeln wurde breiter und seine Augen begannen zu leuchten. » Oder wir könnten schauen, ob wir einen Dingo auftreiben können, der unser Baby klaut.« Den letzten Satz sagte er mit einem übertriebenen australischen Akzent, um Meryl Streep nachzuahmen.
Als Vorbereitung auf die Reise hatte Bobby Ein Schrei in der Dunkelheit ausgeliehen und den Film ungefähr zehnmal angesehen. Ich war mir sicher, dass es bessere Filme über Australien gab, aber das war nun mal sein Lieblingsfilm. Es war die wahre Geschichte einer Frau, die beschuldigt wurde, ihr eigenes Baby umgebracht zu haben, während sie behauptete, ein Dingo hätte es verschleppt.
Deshalb hörte ich Bobby schon seit einem Monat ständig » der Dingo hat mein Baby gefressen« vor sich hinmurmeln.
» Du bist so ein Idiot.« Ich verdrehte die Augen und er lachte.
Mein Handy spielte die ersten drei Sekunden von Purple Rain und ich sprang aus dem Bett. Nach meiner Ankunft hier hatte mein Handy die meiste Zeit nutzlos auf meiner Kommode gelegen, weil ich nie Empfang hatte.
Der Purple-Rain -Klingelton bedeutete, dass ich eine Mailbox-Nachricht bekommen hatte. Also hatte der Empfang immerhin ausgereicht, um die Nachricht aufzunehmen. Ich griff schnell
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