Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
wenn es um Jane ging.
Janes Anblick ließ mich erstarren. Sie stand wartend an der Ecke vor dem Eingang des V. Ihre Beine, die unter einem kurzen Rock hervorschauten, waren spindeldürr. Ihr Haar war länger als früher und hing schlaff zu beiden Seiten ihres mageren, vor Kälte bläulich angelaufenen Gesichts herunter. Sie zitterte wie Espenlaub und ihre Augen huschten nervös hin und her.
» Jane?« Ich ging zögernd auf sie zu. Unsere Blicke trafen sich für einen Moment, dann sah sie schnell wieder weg. » Jane, was machst du hier?«
» Nichts.« Sie schüttelte den Kopf und bog um die Ecke, um mir aus dem Weg zu gehen.
» Jane!«, rief ich noch einmal und eilte ihr nach. Jack, Milo und Bobby folgten mir in diskretem Abstand.
» Was willst du?« Jane blieb außerhalb des Lichtscheins einer Straßenlaterne stehen, sah mich jedoch nicht an.
» Solltest du nicht im Krankenhaus sein?«, fragte ich.
Ich versuchte zu erkennen, ob an ihrem Hals irgendwelche Bisswunden zu sehen waren. Ich entdeckte zwar keine, aber das hatte nichts zu bedeuten. Sie verheilten schnell, und Jane könnte auch welche an ihren Armen oder Schenkeln haben, wo ich sie nicht sehen konnte.
» Ich bin gestern entlassen worden«, erklärte Jane mit einem nervösen Zucken. Sie war einmal das schönste Mädchen gewesen, das ich kannte. Nun sah sie aus wie eine Leukämiekranke.
» Was machst du hier?«, flüsterte ich.
Ein anderer Vampir kam um die Ecke. Er nahm überhaupt keine Notiz von uns, doch Jane starrte ihm mit hungrigen Blicken nach. Menschen können ein ebenso großes Verlangen nach Vampiren haben wie Vampire nach Menschen, und Jane war das perfekte Beispiel dafür.
» Ich dachte, darüber wärst du hinweg«, sagte ich und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich.
» Komm mir nicht wieder mit dem Scheiß, Alice!« Ihre Augen waren nervös und hektisch und sie wichen meinem Blick immer wieder aus. » Du hast mich halb tot auf einer Kirchentreppe liegen lassen. Tu jetzt also nicht so, als würde es dich interessieren, was das Beste für mich ist.«
» Ich habe dich nicht halb tot liegen lassen. Du hast gelebt, und wir dachten, es wäre besser, wenn du professionelle Hilfe bekommen würdest, anstatt unter Vampiren zu leben!«, schrie ich, und sie schaute weg. » Ich wäre fast gestorben, als ich versucht habe, dich zu retten! Ich habe für dich das Leben meines Bruders riskiert! Also erzähl mir nicht, du seist mir egal!«
» Alice«, sagte Jack hinter mir, und mir wurde bewusst, dass meine Worte an den Gebäuden widerhallten. Ich war zu laut, zumal ich von Vampiren sprach.
» Schön, meinetwegen, dann bin ich dir eben nicht egal.« Jane zuckte mit den Schultern, aber ihr standen Tränen in den Augen. » Das macht keinen Unterschied.«
» Wovon redest du?« Milder gestimmt, ging ich noch einen Schritt auf sie zu.
» Sieh mich doch an.« Sie lachte zynisch. » Sieh mich an, Alice!« Sie wischte sich eine Träne von der Wange. » Ich bin ein Junkie!«
» Jane«, sagte ich.
» Was soll ich nur tun?«, fragte sie. » Ich habe den ganzen letzten Monat im Krankenhaus verbracht, ohne dass sie herausgefunden haben, was mir fehlt. Sie wissen, dass ich abhängig bin, aber sie können mir nicht helfen. Ich meine, welches herkömmliche Entziehungsprogramm hilft schon gegen die Sucht nach Vampirbissen?«
» Ich bin sicher, dass jedes Entziehungsprogramm helfen würde«, antwortete ich, doch sie lachte nur.
» Das hoffe ich.« Sie schniefte und rieb sich die Nase. » Mein Dad schickt mich morgen auf Entziehungskur. Ich will, dass es funktioniert. Ich hoffe es. Aber vorher brauche ich noch einen einzigen Biss. Ich weiß, das sagt jeder. Nur noch ein einziges Mal.« Sie lächelte mich müde an. » Ich weiß, das klingt wie ein Klischee, aber das ist mir egal. Ich möchte mich noch ein letztes Mal gut fühlen, und dann kann ich versuchen, das durchzustehen.«
» Als du das letzte Mal gebissen wurdest, wärst du beinahe gestorben!«
Mir war bewusst, wie scheinheilig ich klang, zumal Milo zuvor beinahe Bobby und Peter beinahe mich umgebracht hätten. Vampire können wirklich gefährlich werden, und ich würde jedem Menschen davon abraten, sich auf sie einzulassen. Denn früher oder später landete man dabei mit Sicherheit im Jenseits.
» Ich weiß!«, entgegnete Jane nervös und zitterte noch mehr als zuvor. » Gott, ich weiß, Alice! Glaubst du denn, ich bin dumm? Ich weiß, wie gefährlich es ist, sehr viel besser als du! Schließlich
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