Unter dem Weihnachtsbaum in Virgin River (German Edition)
gehen.“ Sie schnappte sich Handtasche und Jacke und sauste aus der Küche. Dann hatte sie sich verlaufen. Sie stand in dem großen Flur, der zu den Schlafzimmern führte. Irgendwie fand sie den Weg zurück ins große Zimmer und dann in die Küche. „Wo zum Teufel ist die Tür?”
Noch immer hatte er das überlegene Lächeln im Gesicht, als er mit einer ausladenden Handbewegung auf die Tür wies, die zur Garage führte. So ein Egomane, dachte sie und ging.
Im Auto dachte sie dann: Also das war absolut grauenhaft. Und dass er sie sofort durchschaut hatte, machte alles nur noch schlimmer. Sie fühlte sich von ihm angezogen und hatte sich zu ein paar grotesken und eifersüchtigen Bemerkungen über Susanna hinreißen lassen. Sie war sicher, dass es in seiner Vergangenheit viele schöne Frauen gegeben haben musste, und diese Kindfrau, die offensichtlich einen kleinen Hintern und einen ganz netten Vorbau hatte, war die einzige, von der sie etwas wusste. Warum um alles in der Welt hatte sie das getan? Was ging es sie an?
Wahrscheinlich hatte es auch irgendwie damit zu tun, dass sie ein fast vierhundert Quadratmeter großes, maßgeschneidertes Eigenheim besichtigt hatte, das nicht nur hübsch eingerichtet war, sondern über den Hof hinweg einem riesigen Stall gegenüberlag, neben dem zwei Pferdetransporter standen, für die ihr Vater hätte morden können. Was war von einer Tierarztpraxis, die über ein so großes Gebiet verteilt so viele Kunden betreute, auch anderes zu erwarten? Zudem war es auch keine neue, sondern eine gut etablierte und lukrative Praxis, die wahrscheinlich schon seit vierzig Jahren existierte.
Sie selbst war in einem hundert Jahre alten Farmhaus aufgewachsen, das über drei Schlafzimmer verfügte. Ihre drei Brüder hatten sich ein Zimmer teilen müssen und nie zugelassen, dass Annie das auch nur einen kurzen Moment lang vergaß. Die
gesamte
Familie musste mit einem Badezimmer zurechtkommen. Aber sie hatte eine glückliche Kindheit gehabt und war nicht einen Tag in ihrem Leben neidisch gewesen. Warum also jetzt? Konnte es trotz allem daran liegen, dass sie nie eine berühmte Privatschule besucht hatte? Nie maßgeschneiderte Reitkleidung getragen hatte und weder über das Geld für den besten Reitunterricht noch für prestigeträchtige Turniere verfügt hatte? Obendrein hatte sie auch noch breite Hüften, große Füße und eine wenig spektakuläre Oberweite. „Oh, um Himmels willen, Annie”, schimpfte sie mit sich selbst. „Seit wann denkst du denn überhaupt an solche Dinge!”
Wie lange saß sie jetzt schon hier im Auto? Jedenfalls lange genug, um zu frieren. Also, es war Zeit, den Stier bei den Hörnern zu packen und es hinter sich zu bringen. Sie würde jetzt wieder da reingehen und ihm sagen, dass sie so mies drauf war, weil sie zu diesen „robusten“ Mädels vom Lande gehörte, die genau ein einziges Paar Pumps mit hohen Absätzen besaßen, auf denen sie kaum laufen konnten, und denen es einfach sauer aufstieß, wenn sie hörten, welcher Typ von Frau die Aufmerksamkeit eines der wenigen Junggesellen im Lande erregen konnte. Nicht, dass sie
selbst
Wert auf seine Aufmerksamkeit legte, dennoch … Sie würde sich entschuldigen und versprechen, dass so etwas nie wieder vorkam. Normalerweise war sie nicht so emotional. Besser gesagt, irrational.
Sie ging also wieder zurück in die Garage, die noch immer offen stand, weiter durch bis zur Hintertür und klopfte kurz an. Auf der Stelle flog die Tür auf, und Nate streckte die Arme heraus, griff sie an den Handgelenken, zog sie recht unsanft ins Haus, umarmte sie, drückte sie gleich hinter der Tür an die Wand und
küsste
sie! Er presste seinen Mund so heftig und mit einer solchen Dominanz und Selbstsicherheit auf ihren, dass sie erschrocken die Augen aufriss. Dann begann er, die Lippen zu bewegen, während er sie mit seiner breiten, harten Brust an der Wand festhielt und mit seinen großen Händen ihre Taille und die Hüften streichelten.
Annie konnte sich nicht rühren. Weder schaffte sie es, die Arme zu heben, noch, die Augen zu schließen oder gar seinen Kuss zu erwidern. Sie hielt den Atem an. Was zum Teufel …?
Schließlich löste er seine Lippen von ihren. „Du magst mich. Das wusste ich doch”, stellte er fest.
„So sehr mag ich dich nicht. Mach das nie wieder.”
„Du willst mich doch”, erwiderte er lächelnd. „Und ich werde zulassen, dass du mich bekommst.”
„Du bist eingebildet. Ich will dich überhaupt
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