Unter dem Weltenbaum - 01
Bornheld ja in Bälde in den Norden ziehen mußte. Bereits gestern hatte man den Ehevertrag unterzeichnet, in dem alle Fragen von Mitgift bis Wittum geklärt worden waren. Nach dem heutigen Mittagsmahl hatte ihre Mutter sie aufgesucht und sie in ein elfenbeinfarbenes Samtgewand gekleidet, das die Schultern bloß ließ und soviel von ihren Brüsten offenbarte, daß die Braut sich unschicklich fühlte. Das dichte braune Haar floß nach Art unverheirateter Frauen lose auf ihre Schultern hinab.
Faraday warf wieder einen Blick nach unten. Ihr Vater und der Herzog waren nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich befinden sie sich schon auf dem Weg zu mir, fuhr es ihr durch den Sinn. Ihr Mund war mit einem Mal zu trocken, um einen verständlichen Laut auszustoßen, und sie erhob sich auf wackligen Beinen, gerade als die Tür zu ihrer Kammer aufgestoßen wurde.
Isend und Merlion, ihre Eltern, traten ein, und hinter ihnen erschien der Bräutigam mit seinem Berater Gautier und dem Grafen Burdel von Arkon. Faraday befeuchtete die Lippen und sank in einen Hofknicks, während Bornheld in den Raum stolzierte.
»Meine Liebe«, sagte er verlegen, als sie mit gesenktem Haupt in ihrer Stellung verharrte. Der Herzog hielt ihr unbeholfen die Hand hin – die Hofetikette bereitete ihm offensichtlich Unbehagen –, und sie ergriff sie mit leichten Fingern, um sich wieder zu erheben. Faraday war eine große Frau und mußte den Kopf nicht allzu weit in den Nacken legen, um ihrem Bräutigam in die Augen blicken zu können.
»Mein Herr«, entgegnete sie leise, aber immer noch verständlich, »ich fühle mich von Eurem Heiratsantrag geehrt.« Das hatte ihre Mutter ihr vorhin zu sagen aufgetragen. Woher sollte das Mädchen auch wissen, daß Antrag, Werbung und Brautgeschenke allein von Isend ausgegangen waren? Nur Bornhelds Gier und Fleischeslust hatte ihr Vater es schließlich verdanken können, daß der Herzog ihm überhaupt zugehört und schließlich eingewilligt hatte. Der Graf galt zwar nicht als der Reichste, aber Faraday durfte dennoch als nicht unvermögend angesehen werden, würde sie doch eines Tages die Besitzungen ihres Großvaters mütterlicherseits erben. Das Mädchen löste also nicht nur im Auge des Betrachters Wohlgefallen aus, sondern brachte auch größere Ländereien mit in die Ehe ein. Bornheld hatte nicht zu hart mit sich ringen müssen, um dieser Vermählung zuzustimmen.
»Die Ehre liegt ganz auf meiner Seite«, entgegnete der Bräutigam erst nach einem Moment. Gautier grinste hinter seinem Rücken. So höfische Worte hatte er schon seit vielen Jahren nicht mehr von seinem Herrn zu hören bekommen. Bornheld fühlte sich deutlich wohler, wenn er Soldaten anbrüllen, verfluchen und herumkommandieren konnte. Jungen Damen artige Komplimente zu machen, fiel ihm offenbar sehr schwer.
Isend räusperte sich und trat vor. »Faraday, wir alle wissen, wie vielbeschäftigt der Herzog von Ichtar ist, deswegen sollten wir gleich mit der Zeremonie beginnen. Der Graf von Arken und Leutnant Gautier sind als Zeugen zugegen.«
Faraday drohte kurz das Lächeln zu vergehen, aber sie hielt tapfer durch, als der Bräutigam ihre Hand fester hielt und die uralten Worte des Verlöbnisrituals sprach.
»Ich, Bornheld, Sohn des Searlas und Herzog von Ichtar, gebe Euch, Faraday, Tochter des Isend von Skarabost, hiermit mein Treuegelöbnis. Vor Artor und diesen Menschen hier verspreche ich, Euch zur Frau zu nehmen und Euch einen ehrenvollen Platz an meiner Seite zu geben. Dies erkläre ich aus freiem Willen.«
Alle warteten nun auf die Braut. Faraday schluckte und befeuchtete sich noch einmal die Lippen, ehe sie den Schwur wiederholte. Allerdings zögerte sie kurz, ehe sie mit den Worten schloß: »Dies erkläre ich aus freiem Willen.«
Der Bräutigam setzte ein verunglücktes Grinsen auf, schob die freie Hand in die Tasche und zog einen großen Ring aus geflochtenem Gold heraus, den ein massiver runder Rubin krönte. Ungelenk steckte er ihn der Braut an den Herzfinger der Linken. Der Ring saß wie angegossen, und Faraday machte große Augen. Einen so großen Rubin hatte sie noch nie gesehen.
»Oh, der ist ja wunderschön!« hauchte die Mutter, die neben ihr stand.
Bornheld lächelte zufrieden, legte seiner Anverlobten eine Hand auf die Schulter, beugte sich vor und küßte sie auf den Mund. Faraday bemühte sich, nicht zu erstarren, als sie seine Hand auf sich spürte und der Kuß sich hinzog. Er roch nach Pferden, Leder und Schweiß. Seine
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