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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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ersten Berater ins Gesicht. Seine Augen blickten kalt und berechnend drein; Güte und Freundlichkeit waren aus seiner Miene gewichen. »Und was werden sie erst anstellen, wenn sie herausfinden, daß es gar nicht Rivkahs Leiche war?«
    Moryson wirkte um Jahre gealtert, und seine eingefallenen Wangen schienen noch mehr einzusinken. »Mein Freund, ich fürchte, darauf sind sie ziemlich rasch gestoßen. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, warum sie wie rasend das Scriptorium verwüstet haben.«
    Jayme lächelte humorlos. »Wenigstens damit haben sie uns einen Gefallen erwiesen. Seit Jahren suchte ich nach einer Möglichkeit, diese Unterlagen zu beseitigen. Wir können nur hoffen, daß es sich bei den beiden Überlebenden um jüngere Brüder handelt … deren Gedächtnis kaum weiter als dreißig Jahre zurückreicht …«
    Die Katze hielt in ihrer Körperreinigung inne, und ihre hellen Augen starrten den Kirchenfürsten an. Dann senkte sie den Kopf, um den gewölbten Bauch zu putzen.
    »Aber damit ist unsere Frage noch längst nicht beantwortet«, wandte der Berater ein, und seine Stimme verriet, unter welcher Anspannung er stand. »Was wollten die Wesen von Rivkah? Warum war ihnen so sehr an ihr gelegen?«
    Dazu konnte Jayme nichts sagen, und daher schwieg er. Die Katze streckte sich, hockte sich wieder hin und betrachtete die beiden Männer. Schließlich erhob sie sich und spazierte in aller Ruhe zur Tür. Dort angekommen, kratzte sie am Holz, um hinausgelassen zu werden. Moryson tat ihr den Gefallen.

8 Faradays Verlöbnis
    Faraday saß im Gemach ihres Vaters am bleigefaßten Fenster und betrachtete müßig das Geschehen auf dem Palasthof. Seit fünf Tagen brummte und summte es hier wie auch in der ganzen Stadt Karlon unentwegt. Ständig trafen Soldaten ein – Bogenschützen, Spießträger und Reiterei –, formierten sich zu Verbänden und marschierten dann ab. Vor vier Tagen waren endlich die sechs Kohorten Axtschwinger aus Koroleas eingetroffen. Vom Turm des Seneschalls war eine weitere ihrer Kohorten eingetroffen. Reguläre Truppen wie Elitesoldaten wurden in der ganzen Stadt einquartiert, Stäbe saßen zusammen und entwarfen Marschpläne und Transportlisten, Vorräte strömten aus dem Umland herein, Pferde wurden beschlagen, und die Bewaffneten reinigten ihre Ausrüstung. Im Palast fand man kaum noch Platz, sich zu bewegen. Köche beschwerten sich, Offiziere brüllten Befehle, Hunde kläfften, Mägde eilten mit gerötetem Gesicht hierhin und dorthin, und wichtigtuerische Palastbeamte schritten im Dutzend mit dicken Stapeln von Akten und Dokumenten durch die Gänge. Und dann waren da noch die Edlen, die zu den Feierlichkeiten anläßlich des königlichen Namenstags in den Palast gekommen waren – die standen den lieben langen Tag in Gruppen herum und debattierten über dieses und jenes.
    Die junge Frau hatte wenig mehr getan, als am Fenster zu sitzen und sich anzuschauen, was sich unten tat. Wenn sich der Axtherr auf dem Hof zeigte, was gar nicht so selten vorkam, beugte sie sich ein wenig weiter vor, drückte die Nase an der frostbedeckten Scheibe platt und verfolgte, wie er sich mit seinen Offizieren besprach oder mit seinen Soldaten lachte und scherzte. Manchmal verlor er die Geduld, wenn er einen losen Riemen sah oder ein Diener nicht schnell genug war, und dann fing er an zu brüllen. Doch jetzt drang seine Stimme wie ein leises Säuseln zu dem hohen Fenster herauf. Auf Schritt und Tritt und getreulich wie ein Hund folgte ihm eine fette weiße Katze. Faraday konnte bei diesem Anblick ihre Sorgen und Nöte vergessen, und einmal lachte sie laut auf, als er über die Katze zwischen seinen Beinen stolperte und in einen Haufen Dung fiel, den die Knechte gerade aus dem Stall geschaufelt hatten. Der Axtherr besaß genug Humor, um darüber zu lächeln. Während er so im Stroh saß, sprang ihm die Katze auf den Schoß und rieb das Köpfchen an seinem Kinn, wie es solche Tiere eben tun, um ihre Zuneigung zu zeigen.
    Als die Sonne unterging, erkannte das Mädchen unten ihren Vater, der auf Axis zuging und mit ihm redete. Der Jüngere schüttelte energisch den Kopf, und Graf Isend fuchtelte erregt mit den Händen. Die beiden redeten gut zwanzig Minuten lang miteinander, und Faraday bemerkte, daß der Axtherr sich anderen Dingen zuwenden wollte. Aber ihr Vater ließ sich nicht abwimmeln. Nach ein paar weiteren Minuten, während das Gesicht des Mädchens fast an der Scheibe klebte, gab der junge Mann schließlich nach

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