Unter dem Weltenbaum - 01
rauhe Hand auf ihrem Knie spürte. »Bornheld!« entfuhr es ihr. Die Sonne schob sich gerade den Horizont herauf, und ein Lichtstrahl beleuchtete sein Gesicht, so daß er zu ihr heraufblinzeln mußte. »Meine Liebe, ich wollte mich von Euch verabschieden.« Die Braut saß zu hoch, um sich zu ihm hinabzubeugen, damit er sie küssen konnte. Zum Ausgleich dafür tätschelte Bornheld ungeschickt ihr Bein. Trotz der vielen Röcke konnte sie seine Hand auf ihrem Schenkel fühlen.
»Ich zähle die Tage, bis ich Euch wiedersehen darf, Bornheld«, murmelte sie. Seine Aufmerksamkeiten waren ihr unangenehm. Wenn nun ausgerechnet jetzt Axis wieder auftauchte! Das Mädchen verschob das Bein etwas und hoffte, seine Hand werde abrutschen.
Tatsächlich tätschelte er jetzt nicht mehr, entfernte die Rechte aber nicht. Nun ließ der Herzog auch noch den Blick über den Hof schweifen. »Wo steckt er denn? Aha, da ist er ja.«
Die letzte Kohorte hatte aufgesessen, und Axis zeigte sich wieder und bestieg seinen Apfelschimmel, den Hengst Belaguez. Das Tier zeigte sich unruhig in der Morgenkälte, und seine eisenbeschlagenen Hufe glitten und rutschten über das glatte Kopfsteinpflaster, als der Krieger auf die Frauengruppe zutrabte.
Faraday blieb das Herz stehen. Sie wünschte dringend, Artor möge genügend Güte und Erbarmen aufbringen, um eine Hand auszustrecken und seine Tochter aus diesem Leben zu entfernen. Ihre Wangen glühten, und sie senkte den Blick, weil sie den Axtherrn nicht ansehen konnte. Axis warf ihr nur einen flüchtigen Blick zu und erinnerte sich, das Mädchen auf dem Bankett gesehen zu haben. Er wußte jetzt auch, um wen es sich handelte. Ihr Vater, Graf Isend, hatte nämlich fast eine Stunde auf ihn eingeredet, um ihn dazu zu bewegen, seine Tochter und seine Gattin mit nach Arkness zu nehmen.
»Bornheld«, grüßte Axis so knapp wie möglich, und dabei entdeckte er natürlich, daß die Hand des Herzogs auf dem Bein der jungen Adligen lag. Für einen kurzen Moment tat sie ihm leid.
Sein Halbbruder konnte sich ein höhnisches Grinsen nicht verkneifen. »Verliert mir nicht zu viele von meinen Axtschwingern, bevor Ihr in der Festung Gorken eingetroffen seid.«
Der Axtherr preßte die Lippen zusammen, und seine Hände umklammerten die Zügel so fest, daß der Hengst sich fast auf die Hinterbeine stellte. »Wenn Ihr Eure Gedanken gar nicht mehr von Eurer Zukünftigen losreißen könnt, Bornheld, werdet Ihr kaum lange genug überleben, um Euer Pferd noch zur Tränke zu führen.«
Der Herzog nahm endlich die Hand von Faradays Bein, bloß um sie ihr auf den Arm zu legen. Er nahm das Bild vom Pferd gleich auf und setzte noch eins drauf. Es ging ihm aber nur darum, seinen Halbbruder zu ärgern, und so bedachte er die Wahl seiner Worte nicht: »Isend hat mir die Zügel der feinsten Stute in seinem Stall überlassen, Axtherr. Ihr dürft wohl nie hoffen, ein ähnlich edles Tier für Euch zu gewinnen.« Bornheld lachte über sein Wortspiel, und seine Rechte fand den Weg zu Faradays Schenkel zurück.
Unter einer geradezu erstickenden Schicht von Verlegenheit kochte das Mädchen vor Zorn. Sie war doch keine Stute, um die Männer feilschen konnten! Faraday stieß ihrem Roß den Stiefel in die Flanke und schlug es mit der Peitsche, die auf der Bornheld abgewandten Seite vom Sattel hing. Das Tier schnaubte vor Empörung und Überraschung und sprang auf allen vieren hoch. Der Herzog erhielt einen Stoß und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Heftig ruderte er mit den Armen, taumelte zurück und wäre beinahe auf das glatte Kopfsteinpflaster gefallen.
»Bornheld!« schrie das Mädchen und hoffte, ausreichend bestürzt zu klingen. Der Blick ihrer grünen Augen schoß kurz zu Axis, bevor sie die Lider senkte, um das triumphierende Leuchten zu verdecken. Hinter ihr keuchte auch Merlion erschrocken auf. Aber der Bräutigam hatte sein Gleichgewicht wiedergefunden und warf Faraday einen fragenden Blick zu, wohl um sich zu vergewissern, daß ihr Pferd vor irgendeinem eingebildeten Schatten gescheut und sie die Herrschaft über ihr Reittier verloren habe.
Das Mädchen spielte mit und hob die Hände, um seine Hilflosigkeit und Unschuld an dem Vorgang anzuzeigen. Bornheld lächelte ihr beruhigend zu. »Das macht doch nichts, meine Liebe. Wenn wir erst verheiratet sind, bringe ich Euch schon bei, wie man richtig reitet.«
Axis waren die Handlung der Braut und der Blick in ihren Augen nicht entgangen, aber er verkniff sich ein
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