Unter dem Weltenbaum - 01
und nickte widerstrebend. Als dann auch noch Bornheld auf den Hof trat und sich zu ihrem Vater gesellte, machte Axis auf dem Absatz kehrt und überließ die beiden einer Beratschlagung in der Ecke.
Während sie Isend und den Herzog beobachtete, schwanden aller Glanz und alle Freude aus ihrem hübschen Gesicht. Zu Anfang war ihr Karlon wie ein großes Abenteuer vorgekommen. Schon immer hatte sie den Palast sehen wollen, und als die Eltern ihr versprachen, zum diesjährigen Namenstag des Königs dürfe sie sie in die Hauptstadt begleiten, wäre sie vor Freude fast zersprungen, auch wenn sie sich bemühte, äußerlich so ruhig wie möglich zu bleiben. Wochenlang hatte sie von morgens bis abends genug damit zu tun gehabt, Kleider anzuprobieren und sich die passende Garderobe für den Königshof zusammenzustellen. Aber erst die Reise nach Karlon! Sie war durch Landstriche gereist und hatte Menschen zu Gesicht bekommen, von deren Existenz sie nicht einmal im Traum geahnt hatte. Und dann der Hof selbst! Die edlen Gewänder, das kostbare Geschmeide, die Geräusche und Düfte des Palasts, die lärmenden Mengen auf den Straßen der Hauptstadt – kurzum, die Tage vergingen, wie im Rausch.
Doch vor drei Tagen folgte nach dem Rausch der Kater. Faraday war aus höchsten Höhen unsanft auf die Erde zurückgeholt worden. Vor drei Tagen nämlich hatte der Vater ihre Kammer aufgesucht und ihr mit strahlenden Augen und freudig gerötetem Gesicht verkündet, daß er einen passenden Bräutigam für sie gefunden und die Hochzeit bereits in die Wege geleitet habe. Nun war Faraday durchaus bewußt, daß sie eines Tages freien würde, und irgendwie hatte sie auch längst bemerkt, daß ihre Eltern sie nur deshalb mit an den Hof genommen hatten, um sie dort als Heiratskandidatin vorzuführen. Doch das hatte sie nicht weiter gestört, beruhigte sie sich doch mit der Gewißheit, daß bis zur Vermählung noch mindestens ein Jahr, wenn nicht sogar deren zwei vergehen würden. Aber die Aufregung und der Tatendrang, die vor einiger Zeit in der Hauptstadt ausgebrochen waren, hatten wohl auch die Eltern in ihrem Bemühen beflügelt. Wer mochte wissen, was sie alles unternommen und geboten hatten, um die Zustimmung ihres zukünftigen Bräutigams zu gewinnen?
Bornheld.
Faraday sollte die neue Herzogin von Ichtar werden. Nach allgemeiner Ansicht machte sie damit eine glänzende Partie. Der Neffe des Königs galt als mächtigster Fürst des Reichs und stand auch schon als Thronfolger fest. Vater und Mutter waren vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen. Devera war aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen. Heute morgen hatte die Freundin sie besucht und bis zum Mittag ununterbrochen über Kleider, Diener und Kinder geredet, bis selbst Faraday der Geduldsfaden gerissen war und sie die junge Adlige höflich, aber bestimmt gebeten hatte, doch zu gehen. Devera war beleidigt davongerauscht und hatte zum Abschied gemurmelt, daß dieses Landei noch einiges an Manieren lernen müsse, wenn es wirklich mit Bornheld vermählt werden wolle.
Faraday stand am Fenster und zog die Schultern hoch. Den Eltern zuliebe mußte sie so tun, als sei sie überglücklich, doch in ihrem Innern sah es ganz anders aus. Sie wußte nicht, was sie von ihrem Zukünftigen halten sollte. Er war so groß, so raumgreifend und wohl auch ziemlich grob. Die beiden hatten sich gestern kurz gesehen und dabei in Anwesenheit von Faradays Eltern umständlich über dieses und jenes geplaudert. Vater und Mutter wären vor Stolz fast geplatzt. Faraday gab sich redlich Mühe, aber sie konnte einfach nicht davon ablassen, Bornheld mit seinem Halbbruder zu vergleichen. Wenn sie gestern mit Axis zusammengesessen hätte, wäre das Gespräch bestimmt nicht so verkrampft verlaufen und von häufigen Schweigepausen unterbrochen worden. Faraday stellte sich den Axtherrn als humorvollen, sanften und charmanten Plauderer vor, wohingegen Bornheld doch entschieden dazu neigte, kurz angebunden und rücksichtslos zu sein. Das Mädchen seufzte schwer. Ein- oder zweimal hatte sie gestern eine Bemerkung fallen lassen, die ihr recht lustig und geistvoll erschien, aber der Herzog hatte sie nur verständnislos angestarrt.
Faraday schüttelte sich wieder und schluckte, um die Tränen zurückzuhalten. Heute nachmittag sollte die formelle Verlöbnisfeier abgehalten werden, und zu der durfte sie doch nicht mit geröteten und verquollenen Augen erscheinen. Die übliche Werbungszeit hatte man stark gekürzt, weil
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