Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
Vom Netzwerk:
der Fürstin brachten die anderen zum Schweigen. Erst nach einer Weile wagte es Faraday, sich wieder an den Mönch zu wenden. »Aber sagt mir doch, Bruder, um welche Wesen es sich bei den Ikariern und Awaren handelte.«
    Veremund dachte kurz nach. »Uns stehen ihre Lieder, ihre Chroniken und andere Quellen zur Verfügung, aber alle diese Texte berichten nur wenig über ihr Aussehen oder ihre Lebensart. Nun, die Ikarier lebten auf den Hügeln und Bergen Tencendors und bevorzugten offenbar hochgelegene Orte. Sie studierten die Wege der Sterne, der Sonne und des Mondes. Vielleicht nannte man sie deshalb das Volk des Flügels. Die Awaren hingegen lebten in den Wäldern und sollen in einem besonderen Verhältnis zu ihrem Land gestanden haben. Einige Schriften, die Bruder Ogden und ich gelesen haben, lassen den Schluß zu, daß diese Wesen mit Bäumen reden konnten.«
    Faraday atmete erschrocken ein, zog ihr Pferd am Zügel und lenkte es ein wenig von dem alten Mönch fort. »Mutter hatte recht«, entgegnete sie gepreßt. »Diese Kreaturen waren von Grund auf verdorben, und der Seneschall tat recht daran, sie aus dem Reich zu verjagen!«
    Am Nachmittag erreichte der lange Zug der Axtschwinger eine Reihe von Erhebungen, die allesamt etwa hundert Schritt in der Höhe und zweihundert in der Länge maßen. Die steilen Hänge trugen dichten Busch- und Grasbewuchs, während die flachen Kuppen in den Farben gelber und roter Blumen leuchteten. Etwa dreißig dieser Hügel zogen sich halbkreisförmig über eine halbe Meile hin. Axis gebot seinen Soldaten anzuhalten und wandte sich an den Leutnant, der neben ihm ritt.
    »Wißt Ihr, was das ist, Belial?«
    Der Offizier wollte gerade antworten, aber Ogden kam ihm zuvor und rief von hinten: »Bei diesen Erhebungen soll es sich um die Grabhügel der uralten Könige von Tencendor handeln, Axtherr!«
    Der dicke Mönch trieb seinen Esel an, bis er zu dem Krieger aufgeschlossen hatte. Axis musterte ihn ungnädig. Es war ihm anzusehen, daß er den Alten immer weniger mochte. Während der vergangenen drei Tage hatte Ogden viel über das alte Land Tencendor erzählt. Mit jeder neuen Erkenntnis hatte der Anführer sich unbehaglicher gefühlt, und mittlerweile hätte er am liebsten nichts mehr von dem kleinen Dicken erfahren. Axis war sein Leben lang davon ausgegangen, daß sein Land schon immer so gewesen war wie heute, daß der Seneschall und die Lehre des Pflugs seit allen Zeiten im Reich gegolten hatten. Doch nun mußte er erfahren, daß das Land Achar, wie er es kannte, erst tausend Jahre alt war und ebenso wie der Seneschall nicht schon immer bestanden hatte. Ja, sein eigenes Volk und die Unaussprechlichen sollten einst einträchtig im viel älteren Tencendor nebeneinander gelebt haben. Solche Geschichten beunruhigten ihn außerordentlich.
    »Also haben die Menschen einst auch über die Unaussprechlichen geherrscht«, erklärte er schließlich gefaßt und um die ganze Angelegenheit als Nichtigkeit abzutun.
    »Keinesfalls, Axtherr«, lächelte der Mönch. »Die Herrscherfamilie von Tencendor entstammte den Ikariern. Das Haus der Aufsteigenden Sonne stellte über fünftausend Jahre lang den Krallenfürsten, wie der König genannt wurde. Eine recht fruchtbare Familie, nicht wahr?«
    Belial und Axis starrten Ogden fassungslos an. Die Unaussprechlichen sollten einmal über die Menschen geherrscht haben? Einfach undenkbar!
    »Ja«, fuhr der Mönch fort, betrachtete die Hügel und schien sich in Gedanken ganz in ihrem Anblick zu verlieren, »ja, es waren die Menschen, die unter dem Einfluß des gerade aufkommenden Seneschalls in den Axtkriegen die Ikarierherrscher vom Thron stießen und sie zusammen mit den Awaren hinter die Grenzberge trieben.«
    Der Krieger betrachtete mit steinerner Miene die Erhebungen. »Nun«, erklärte er dann, »heute nacht werden die Ikariergräber uns Menschen Schutz gewähren. Ich schätze, sie sind hoch genug, um diesen artorverdammten Wind von uns abzuhalten.«
    So ließen die Soldaten sich im Halbkreis der Höhen nieder und freuten sich darüber, endlich einmal Schutz vor dem mörderisch kalten Nordwind zu finden. Inzwischen hatte sich die Nachricht von der Prophezeiung in ihren Reihen verbreitet, und überall saßen in dieser Nacht Axtschwinger an den Lagerfeuern zusammen und redeten leise über die Bedeutung der uralten Rätsel. Immer wieder warf der eine oder andere einen scheelen Blick nach Norden zum Ursprungsort des Windes und zu den dicken schwarzen Wolken,

Weitere Kostenlose Bücher