Unter dem Weltenbaum - 01
ein schlechtes Gewissen abzulesen war. Als dies nicht der Fall zu sein schien, wandte er sich wieder an die beiden Mönche. »Wie lange braucht Ihr noch, bis Ihr fertig seid?«
»Wir haben so gut wie alles beisammen, Herr. Gebt uns noch einen Moment, um Vorräte zu packen und unsere Reittiere zu satteln, dann können wir sofort aufbrechen.«
»Hoffentlich«, knurrte der Krieger und sah seine beiden Offiziere an. »Wie Ihr sicher mitbekommen habt, reisen Ogden und Veremund mit uns. Um uns ihre Unterstützung zu gewähren.« Weder Arne noch Timozel wagten angesichts von Axis’ grimmiger Miene einen Einwand vorzubringen. »Ich nehme an, Ihr seid genauso begierig darauf, diesen Wald zu verlassen, wie ich. Deshalb nehmt rasch das Morgenmahl ein und sattelt die Pferde.«
Beide Männer verstanden die wahre Bedeutung dieses Befehls: ›Vergeßt das Frühstück, und macht sofort die Rosse fertig! ‹ Axis zog mit einem Fuß die Bank heran und ließ sich darauf nieder. »Nun, Gilbert, wollen wir uns nicht setzen und gemeinsam warten?« Er brach ein Stück vom frischgebackenen Brot ab und legte eine Scheibe Speck drauf. »Ihr solltet etwas zu Euch nehmen«, forderte Axis ihn kauend auf. »Bis zum Turm erwartet Euch ein harter Ritt. Ich gehe doch recht in der Annahme, daß Ihr so rasch wie möglich dort eintreffen wollt, oder?«
Der Jüngling starrte ihn nur an und blieb stehen. Ogden und Veremund fanden ein weiteres Buch, das sie unbedingt mitnehmen wollten, und verstauten es mit einiger Mühe in einer der bereits zum Bersten gefüllten Satteltaschen. Dann stopften sie die Nahrungsmittel vom Tisch in einen Korb und eilten nach draußen.
In weniger als einer halben Stunde stand alles zum Aufbruch bereit. Axis taten seine beiden jungen Offiziere leid. Nachdem sie die Pferde gesattelt hatten, brachte er ihnen etwas zu essen. Der Krieger ließ den dumpf starrenden Gilbert bei den beiden zurück und half Ogden dabei, die Burg zu verschließen. Veremund kümmerte sich währenddessen um die Reittiere.
»Ihr seid bestimmt traurig, Euer Heim nach so vielen Jahren verlassen zu müssen«, bemerkte Axis mitfühlend, als der kleine Dicke Wasser ins Feuer goß und die nasse Asche auseinanderfegte.
Ogden richtete sich auf und sah ihn an. »Ja, Axtherr. Veremund und ich haben den Großteil unseres Lebens hier verbracht. Der Abschied geht uns doch recht nahe.« Er ließ den Blick durch den Raum schweifen und blickte dann nach oben zu den höheren Stockwerken. »All die Bücher und Berichte, sie sind für uns so etwas wie Freunde geworden.«
Axis trat zu ihm. »Ihr versteht sicher, daß ich einige von Gilberts Bedenken teile, oder?« Ogden nickte und hatte zum ersten Mal nichts zu entgegnen.
»Immerhin bin ich der Axtherr der Axtschwinger«, fuhr der Krieger so leise fort, daß selbst Ogden ihn kaum verstehen konnte. »Meine Pflicht besteht darin, den Seneschall und das Reich vor jeder Gefahr zu schützen, die ihm droht. Da bereitet es mir … einiges Unbehagen, und das ist noch höflich ausgedrückt, wenn Ihr und Euer Mitbruder von den Unaussprechlichen wie von alten Freunden redet. Ihr solltet Euch nicht von Euren zweifelhaften Vorlieben beeinflussen lassen, wenn Ihr mir einen Rat gebt. Das versteht Ihr doch sicher, oder?«
Ogden begriff sehr wohl, daß es sich dabei weder um eine Frage noch um eine Bitte, sondern um einen Befehl handelte. Wie eigenartig, dachte er, daß der Geweissagte ausgerechnet in der Rolle des Axtherrn auftrat.
»Herr«, entgegnete er und verbeugte sich. Axis verzog angesichts der Anrede und der Ehrenbezeugung das Gesicht. »Mir sind Eure Pflichten dem Land Achar und dem Volk gegenüber sehr wohl bewußt, und ich schwöre Euch bei allem, was mir heilig ist, daß ich nie auch nur den Versuch wagen werde, Euch in Widerspruch zu Euren Verantwortlichkeiten zu bringen.«
Eine vieldeutige Äußerung, deren Doppelsinn Axis jedoch entging. Er war nun davon überzeugt, daß der kleine Mann in bester Absicht handeln werde.
»Ihr beide braucht mich nicht Herr zu nennen«, erklärte er dem Mönch nur und stapfte aus dem Raum. Ogden blieb zurück. Er und Veremund hatten wie einige andere äonenlang auf diesen Augenblick und diesen Mann gewartet. Sie hatten diesem Augenblick und diesem Mann sogar ihr Leben geweiht. Nun lag es an ihnen, die Zukunft zu bestimmen. Ogden vollführte rasch eine kunstvolle Handbewegung, und in dieser kurzen Zeitspanne leuchteten seine Augen golden auf. Dann wandte er sich um und verließ den
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