Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
abend hier gesucht. Ich hab ihm gesagt, er soll heute in der Mittagszeit noch mal wiederkommen.«
»Vielen Dank«, sagte ich.
Prudell kam zum Kamin und setzte sich in den Sessel, der neben meinem stand. »Wie geht’s denn so, Alex?«
»Prudell«, sagte ich.
»Nennen Sie mich doch Leon, ja?« sagte er. Er hatte sich kaum verändert. Er war noch immer ganz Flanell, ungepflegte rote Haare und Yooper Twang, der leichte Akzent der Eingeborenen von der Oberen Halbinsel.
»Leon. Was kann ich für Sie tun?« Beim letzten Mal, als er hier aufgetaucht war, hatte er sehr viel Whiskey getrunken und dann versucht, mich auf dem Parkplatz auseinanderzunehmen. Wenn ich es mir recht überlegte, war das genau an dem Abend gewesen, an dem mein Leben aus den Fugen geraten war. Ich hoffte nur, daß sein jetziger Auftritt kein böses Omen war.
»Ich wollte nur mit Ihnen reden«, sagte er. »Ich wollte Ihnen ein Geschäft vorschlagen.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, also versuchte ich es gar nicht erst.
»Hier ist mein Vorschlag«, sagte er. »Ich habe drüber nachgedacht, wieder als Privatdetektiv zu arbeiten, ja. Mir fehlt das wirklich, Alex. Das heißt, meine Lizenz und alles habe ich natürlich noch. Hier, hab ich mir machen lassen.« Er gab mir eine Visitenkarte. Darauf stand »Leon Prudell, Ermittlungen, Sicherheitsdienst, Kautionen.«
»Ist Ihnen wohl wirklich ernst«, meinte ich.
»Das mit den Kautionen zusätzlich halte ich für ’ne gute Idee. Wußten Sie, daß es im ganzen County keinen Kautionsdienst gibt? Bis auf mich jetzt, meine ich. Wer gegen Kaution freikommen will, mußte bislang auf jemanden aus Mackinac warten.«
»Jetzt weiß ich es«, sagte ich. »Aber was hat das alles mit mir zu tun?«
»Alex …«, sagte er. Er musterte kurz den Raum und neigte dann seinen Kopf zu mir rüber. »Alex, ich sag es Ihnen, wie es ist. Ich habe mir alle Mühe gegeben, als Detektiv wieder ins Geschäft zu kommen, weil es das ist, was mir wirklich Spaß macht. Und ich denke, daß ich darin auch gut bin. Ich hab Ihnen doch mal geholfen, wissen Sie noch? Damit wir bei dem Kerl ins Haus kamen? Da haben Sie doch gesehen, daß ich in solchen Dingen richtig gut bin, oder? Hab ich nicht recht?«
Ich sah ihn an. »Ja«, sagte ich schließlich. »Das war brillant.«
»Okay«, sagte er. »Aber mein Problem ist, daß die meisten Leute, wenn sie mich sehen, mir das nicht ansehen. Sie wissen doch, was ich meine? Sie sehen mich, und sie denken gleich an den fetten Idioten, der in der Klasse immer hinten sitzt.«
»Prudell …«
»Alex, ich sag doch gar nicht, daß ich sie an den fetten Idioten erinnere , ich war der fette Idiot, klar? Jeder, mit dem ich zur Schule gegangen bin, lebt noch hier in Sault Ste. Marie. Sie sehen mich immer noch so. Wissen Sie, wie schwer es ist, damit umzugehen?«
»Und was hab ich damit zu tun?«
»Ich möchte, daß Sie mein Partner werden.«
»Oh Gott«, sagte ich. »Wollen Sie mich verarschen?«
»McKnight-Prudell Ermittlungen«, sagte er. »Obwohl, ich weiß nicht, vielleicht klingt Prudell-McKnight besser.«
»Prudell, also wissen Sie …«
»Okay, McKnight-Prudell. Ihr Name kommt an die Spitze.«
»Nun hören Sie aber auf«, sagte ich, »bitte.«
»Wir wären perfekt. Sie sind Ex-Polizist. Sie sehen aus wie ein Expolizist. Sie sprechen nicht so, als seien Sie hier aus der Gegend. Und Sie haben das.« Er blickte auf meine Brust. »Sie wissen schon, das da mit der Kugel, das spricht für Sie.«
Ich sah ihn nur an.
»Sie haben doch wirklich eine Kugel da drin? Direkt neben dem Herzen? Haben Sie eigentlich ’ne Vorstellung, wie toll das klingt? Die Leute hören das und denken: ›Boah, der Kerl ist ja wie einer aus ’nem Film.‹«
»Ja, genau das hab ich gehofft«, sagte ich in meiner besten Filmstimme. »Klaro, deshalb hab ich mich ja überhaupt nur niederschießen lassen.«
»Nein, im Ernst, Alex …«
»Nun hören Sie endlich auf«, sagte ich. »Ich will kein Privatdetektiv mehr sein. Das ist das Allerletzte, was ich auf dieser Welt sein möchte.«
»Habe verstanden«, sagte er. »Sie wollen bloß nicht mein Partner sein.«
»Mit Ihnen hat das nichts zu tun. Ich will einfach keiner mehr sein. Daß ich Privatdetektiv geworden bin, war das Übelste, was ich in meinem ganzen Leben getan habe, verstehen Sie? Da ist nur Mist bei rausgekommen.« Ich wollte ihm keinesfalls die ganze Geschichte erzählen. Ich mochte nicht einmal mehr daran denken.
»Wollen Sie nicht darüber
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