Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
der zerstörten Matratze war keinerlei Bequemlichkeit mehr abzugewinnen, wie sehr ich mich auch bemühte. So setzte ich mich wieder in den Wagen und fuhr um die Kurve zu meiner zweiten Hütte, derjenigen, in der ich Dorothy untergebracht hatte.
Es hatte endlich aufgehört zu schneien, aber der Wind blies noch immer. Es war ein tiefes, unerbittliches Klagen, wie das Heulen eines Wolfes. Bevor ich zu Bett gegangen war, hatte ich mich ans Becken gestellt und versucht, das Wasser aufzudrehen. Nichts. Da fiel mir ein, wie ich in der Nacht für Dorothy das Wasser angestellt hatte und sie gebeten hatte, es tröpfeln zu lassen, damit die Leitung nicht einfröre. Offensichtlich hatte sie das nicht getan. Vermutlich war sie zu sehr damit beschäftigt gewesen, gekidnappt zu werden. Jetzt war die Leitung völlig zugefroren. Ich hatte nicht die geringste Lust, mich sofort darum zu kümmern, sondern kroch ins Bett. Wie ich so dem Wind lauschte, dachte ich, daß es dasselbe Bett sei, in dem Dorothy geschlafen hatte, falls sie überhaupt Zeit dazu gefunden hatte, bevor ihr Märchenprinz kam, um sie abzuholen.
Hatte sie ihm wirklich die Tür geöffnet? Sie mußte wohl. Andernfalls hätte er sie aufgebrochen, genau so, wie er es mit meiner gemacht hatte. Sie hatte ihm die Tür geöffnet, und er hatte sie gepackt und weggeschleppt. Wenn ich sie jemals wiedersehe, wird das die erste Frage sein, die ich ihr stelle: Wieso haben Sie die Tür geöffnet?
Ich schleppte mich aus dem Bett. Es war so kalt, daß ich meinen Atem sehen konnte, da das Feuer im Ofen erloschen war. Ich zog mir Stiefel und Mantel an und ging hinaus in den Morgen, wo der Wind schon darauf wartete, mein Gesicht zu vereisen. Wieder ein strahlender Wintertag in Paradise.
Ich startete den Lastwagen und setzte die Heizung in Gang. Ich fühlte mich so steif, daß ich glaubte zu zersplittern, wenn man mich fallen ließe.
Es hatte die Nacht über nicht geschneit, aber überall auf der Straße gab es Schneeverwehungen. Ich pflügte sie bis zum Ende frei und dann wieder zurück bis zur Straße. Als ich an Vinnies Haus vorbeikam, sah ich, daß sein Wagen fort war. Vermutlich war er im Kasino bei seiner Frühschicht am Siebzehnundvier-Tisch. Der Wind hatte das meiste von seiner Schwerstarbeit schon wieder zunichte gemacht. Ich pflügte ihn frei, nur um ihn zu ärgern.
Als ich wieder an meiner eigenen Hütte war und den Wagen verließ, sah ich, daß meine Tür wieder offenstand. Drinnen hörte ich mein Telefon klingeln. Ich nahm die Pistole aus der Manteltasche und spähte vorsichtig um die Ecke. Ich erblickte das Chaos, das ich auch gestern gesehen hatte. Da das Schloß kaputt war, hatte wohl der Wind die Tür geöffnet, überlegte ich.
Schnee lag auf dem Boden, bis tief ins Zimmer hinein. Wie es aussah, konnte ich genausogut die Bären in meinem Haus ihren Winterschlaf halten lassen.
Das Telefon klingelte wieder. Ich nahm ab.
»Alex, sind Sie das?« Es war Leon Prudell. »Ist alles in Ordnung? Ich rufe schon den ganzen Morgen an.«
»Hier ist alles ganz prächtig«, sagte ich.
»Ich habe seine Wohnung gefunden. Wo Lonnie Bruckman gelebt hat. Ich bin im Moment da, bei seiner Vermieterin.«
»Das ist ja kaum zu glauben«, meinte ich. »Wie haben Sie das denn geschafft?«
»Das erklär ich Ihnen, wenn Sie hier sind. Sie müssen das hier einfach sehen.« Er beschrieb mir den Weg zu einem Viertel auf der Ostseite von Sault Ste. Marie. Es war nicht weit von der Eishalle und der Kneipe entfernt, wo ich Bruckman am Abend des Hockeyspiels gesehen hatte.
»Ich bin so schnell wie möglich da«, versprach ich.
»Ich warte auf Sie, Partner.«
Ich ließ das unkommentiert. Ich dachte, er habe sich die Partnerschaft verdient, zumindest für diesen Tag.
Bevor ich ging, rief ich wieder im Büro des Sheriffs an und verlangte, mit Bill persönlich zu sprechen, aber die Frau am Telefon sagte mir, er sei nicht im Hause. Ich hinterließ meine Telefonnummern, die von der Hütte und die vom Handy im Lastwagen, und bat um seinen Rückruf so bald wie möglich. Dann ging ich wieder zurück nach draußen in die Kälte. Keine heiße Dusche, kein Frühstück. Ich werde am Glasgow anhalten, überlegte ich. Rasch einen Kaffee und etwas auf die Faust.
Als ich dort reinschaute, saß Jackie am Kamin und rieb sich die Hände. »Es wird Schnee geben«, sagte er, als er mich sah.
»Du hast nachgerade parapsychologische Fähigkeiten«, sagte ich. »Schnee im Januar hier in der Gegend, wer denkt denn
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