Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
begann.
Ich ging in die Hütte hinein und musterte den Raum. Ich betrachtete die Trümmer meines früheren Heims. Berühren durfte ich noch nichts. Ich ging nur von einem Ende des Raums zum anderen. Die einzigen Geräusche waren mein Atem und mein Herzschlag. In der Küche hatte man jede Schublade herausgerissen und umgedreht. Der Kühlschrank stand offen. Essen, Milch, Eier – alles lag auf dem Boden, zusammen mit dem Inhalt der Schubladen. Die Sitzkissen der Couch hatte man heruntergerissen und aufgeschlitzt. Die Matratze war vom Bett gerissen worden. Auch sie war zerschlitzt. Der brennende Lampenschirm riß mich aus meiner Trance, gerade noch rechtzeitig, um ihn von der Birne zu nehmen und wieder geradezurücken. Ich ging ins Bad. Alles, was vorher im Medizinschränkchen gewesen war, schwamm jetzt in der Toilette. Den Duschvorhang hatte man aus seinen Ringen gezerrt und in zwei Teile gerissen.
Mein Wandschrank befindet sich auf der anderen Seite der Badezimmerwand, in der Nähe der Haustür. Ich ging hin und sah alle Kleidungsstücke durch, die man auf den Boden geworfen hatte. Tief drinnen fand ich den offenen Schuhkarton. Die Pistole war noch da, der Zylinder stand offen und war leer. Ich hob sie hoch und legte Patronen ein, eine nach der anderen. Irgendwie fühlte ich mich danach besser.
Ich untersuchte die Tür. Das Schloß war zersplittert. Irgend jemand hatte sie schlicht eingetreten. Ich hatte schon immer gewußt, daß es keine gute Tür war. Ich hatte mir aber auch immer gesagt, daß hier mitten im Wald, wo niemand einen beobachtete, jeder, der ernsthaft ins Haus wollte, auch reinkäme, egal welche Vorsichtsmaßnahmen ich träfe. Offensichtlich hatte ich recht gehabt.
»Bruckman«, sagte ich laut. Er hat das getan. Aber warum hatte er die Pistole nicht mitgenommen? Ich ging die ganze Hütte noch einmal durch und kontrollierte alles, so gut ich konnte. Nichts fehlte. Es sei denn …
Es sei denn das, was er gesucht hatte, war für ihn hier unauffindbar. Mit diesem Gedanken griff ich in meine Manteltasche. Das kompakte Gewicht war den ganzen Tag dagewesen, ohne daß es mir bewußt gewesen war. Jetzt fiel mir der Hockeypuck wieder ein, und ich hielt ihn ins matte Licht, um die Aufschrift noch einmal zu lesen. Gordie Howe, Nummer 9.
Konnte der Puck ihm so viel bedeuten? Ein Hockeypuck mit Autogramm?
Oder war er hier bloß eingebrochen, um meine Wohnung zu verwüsten? Um mir eins auszuwischen, weil ich Dorothy helfen wollte, vor ihm zu fliehen?
Lange Zeit stand ich da und sah auf den Puck. Ich fühlte, wie mein Zorn wuchs. Und neben dem Zorn war ich auf eine unheimliche Weise fasziniert davon, wie verrückt der Mann sein mußte, um das hier zu tun. Oder wie dumm. Oder beides. Er könnte jetzt längst über alle Berge sein. Statt dessen beschließt er hierzubleiben, um mir das anzutun.
Doch neben dem Zorn und der Faszination gab es noch etwas anderes. Ein kleiner glimmender Funken Erwartung, fast so etwas wie Freude. Denn jetzt wußte ich, daß er in der Nähe war. Und wenn er in der Nähe war, dann hatte ich eine mehr als faire Chance, ihn zu finden.
Kapitel 9
Als ich am nächsten Morgen erwachte, sah ich auf die Unterseite eines Etagenbettes. Einen Moment lang wußte ich nicht, wo ich war. Dann fiel mir alles wieder ein.
Meine Hütte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ein einzelner Mann soviel Schaden anrichten konnte. Vermutlich hatte er sein ganzes Hockeyteam dabeigehabt.
Ich hatte noch am Abend im Büro des Sheriffs angerufen. Es war Samstag, also war Bill nicht dort. Der diensthabende Beamte wollte jemanden rausschicken, um den Schaden zu besichtigen, aber ich sagte ihm, es lohne nicht die Mühe. Es hatte doch keinen Sinn, einen armen Trottel in einer kalten Winternacht den ganzen Weg bis hierhin zu schicken, damit er sich umsieht und dann sagt: »Mensch, da war aber einer ganz schön sauer auf Sie.« Also hinterließ ich eine Nachricht für Bill und wünschte seinem Vertreter eine gute Nacht.
Dann hatte ich begonnen, so weit wie möglich aufzuräumen. Aus der Schweinerei auf dem Küchenboden klaubte ich das Besteck und die heil gebliebenen Teller. Alles andere kehrte ich auf einen Haufen zusammen. Hinsichtlich der zerschlitzten Sofapolster konnte ich nicht viel machen. Ich sammelte die Reste samt der Füllung ein und stopfte alles in Müllsäcke. Als ich genug getan hatte, um zumindest das Gefühl zu haben, mit der Schadensbehebung angefangen zu haben, versuchte ich zu schlafen. Aber
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