Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
tief in mir drin, in einem kleinen Kasten, in dem die Angst sein kann, ohne dich zu kontrollieren. Ich wußte, wenn ich sie aus diesem Kasten ließe, hatte ich keine Chance mehr, klar zu denken.
Es ist schwer, Sie zu finden. Hieß das, daß sie mich gesucht hatten, aber erst heute abend gefunden hatten? Samstag waren sie bei mir eingebrochen. Wie viele Tage waren seitdem vergangen? Welchen Tag haben wir heute? Denk nach, Alex.
Wir erreichten die Stadtmitte. Vor uns sah ich das Glasgow Inn. Jackie ist jetzt da drin. Auf mich wartet ein kühles Kanadisches. Aber nein, wir biegen ab.
Der Fahrer bog an der blinkenden Ampel links ab auf die 123, die aus der Stadt heraus nach Westen führte. »Wohin fahren wir?« fragte ich.
»Wir möchten jetzt nicht reden«, sagte der Mann.
Wir fuhren weiter nach Westen. Der Fahrer trug schwarze Handschuhe. Er war ein guter Fahrer. Im Schnee fuhr er sehr selbstsicher, aber niemals zu schnell.
Es ist schwer, Sie zu finden. Jetzt fing es an, Sinn zu machen. Samstag hatten Sie meine Hütte auseinandergenommen. In der Nacht hatte ich nicht in dieser Hütte geschlafen, sondern in einer anderen. Am nächsten Tag hatte Bruckman dafür gesorgt, daß ich ins Krankenhaus kam. Vier Nächte hatte ich dort verbracht, gestern fast den ganzen Tag im Glasgow, dann bin ich letzte Nacht nach Kanada gefahren, war den Rest der Nacht im Gefängnis. Seit Dorothy verschwunden war, war ich nicht länger als zehn Minuten am Stück in meiner Hütte gewesen. Deshalb war ich schwer zu finden gewesen.
Aber jetzt hatten sie mich gefunden.
Diese Männer haben Dorothy entführt, überlegte ich. Vielleicht haben sie sie getötet. Sie haben Gobi und diese Frau getötet. Den Albtraum, den ich in dieser Hütte gesehen habe, haben sie angerichtet. Und jetzt bringen sie mich um. Sie fahren mit mir tief in die Wälder und töten mich dann.
Ich schloß die Augen. Einatmen, ausatmen. Denken.
Ich konnte die Tür öffnen und versuchen, mich in den Wald zu retten.
Sie würden mich niederschießen wie ein Tier. Ich würde keine Chance haben.
Wenn sie mich töten wollten, hätten sie das auch tun können, als sie mich auf der Straße anhielten. Niemand hätte sie gesehen. Vielleicht wollten sie etwas anderes.
Ja, vielleicht wollten sie erst etwas anderes. Und dann würden sie mich töten.
Okay denn. Wenn sie mich umbringen, bringen sie mich um. Solange ich noch am Leben bin, habe ich eine Chance. Sag dir das immer wieder.
Wir fuhren immer tiefer in die Wälder, am Abzweig zu den Tahquamenon-Fällen vorbei. Die Straße wurde schmaler, der Schnee tiefer. Der Fahrer hielt die Hände ruhig am Lenkrad, während sich der Jeep durch den Schnee kämpfte.
Ich sprach weiter mit mir und versuchte mir einzureden, daß ich den nächsten Tag noch erleben würde.
Ein kleines Schild verriet uns, daß wir das Chippewa County verließen und auf das Luce County zusteuerten. Ich kannte die Straße. Sie führte nur durch Waldgebiete, bis sie Newberry erreichte, gute fünfzig Kilometer südwestlich von hier. Als ich mich gerade fragte, wie weit wir wohl noch fahren würden, bremste der Fahrer ab. Eine Stichstraße zweigte in nördlicher Richtung ab. Sie war frisch geräumt worden, von wem konnte ich mir allerdings nicht vorstellen. Soviel ich wußte, gab es in diesem Teil der Wälder keine Hütten, nur kleine Seen und Schneemobilpisten. Fünf oder sechs Kilometer fuhren wir auf dieser Straße. Der Fahrer mußte sich jetzt stärker konzentrieren, um weiterzukommen. Die Räder drehten häufiger durch.
Dann hielten wir an.
Der Mann neben mir sagte etwas. »Hier steigen wir aus.«
Der Fahrer öffnete seine Tür, stieg aus und öffnete dann meine. Der andere blieb auf seinem Platz, bis ich ausgestiegen war. Es war dunkel. Als die Scheinwerfer ausgeschaltet waren, brauchten meine Augen eine ganze Zeit, um sich an das Dunkel zu gewöhnen. Der Fahrer holte eine Taschenlampe heraus und knipste sie an.
»Hier lang«, sagte er. Einen Augenblick lang konnte ich sein Gesicht sehen. Er hatte feinere Züge als sein Partner.
»Wohin bringen Sie mich?« fragte ich.
»Hier lang«, sagte er wieder.
Er wandte sich um und ging die Straße weiter. Der andere Mann war hinter mir. Keiner von beiden hatte seine Pistole gezogen. Sie stießen mir nicht die Läufe in den Rücken und befahlen mir nicht, voran zu gehen und keine Dummheiten zu versuchen. Das brauchten sie nicht. Es herrschte zwischen uns das unausgesprochene Einverständnis, daß sie, solange
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