Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
ich mit ihnen kam, ihre Pistolen nicht zücken und mich nicht erschießen würden.
Wir gingen die Straße entlang und folgten dem dünnen Strahl aus der Taschenlampe des Fahrers. Die Straße hörte auf. Der Schnee wurde tiefer. Er reichte mir fast bis zur Hüfte. Ich bahnte mir meinen Weg, riß erst ein Bein hoch und dann das andere. Es dauerte nicht lange, bis ich schnaufte. Die andern beiden bewegten sich im selben Schnee, aber es wirkte bei weitem nicht so angestrengt wie bei mir.
»Ich bin zu alt für so was«, sagte ich. Aber meine Worte verloren sich in der kalten Nacht.
Wir kamen auf eine Lichtung. Schließlich sah ich vor uns ein Gebäude. Es war klein, nicht größer als ein Schuppen. Es ist eine Eishütte, dachte ich. Wir gehen jetzt über einen See. Ich versuchte mir im Kopf eine Landkarte vorzustellen. Es konnte der Little Two Hearted Lake sein oder irgendein anderer der hundert Seen, deren Namen ich mir nicht merken konnte. Wo auch immer wir waren, waren wir allein, das war mir klar. Sollte es im Umkreis von zehn Kilometern ein anderes Gebäude außer weiteren leeren Eishütten geben, war es mir auf jeden Fall unbekannt.
Wir gingen die letzten hundert Meter bis zur Eishütte. Ein leichter Schimmer fiel durch ihre Ritzen. Der Fahrer öffnete die Tür und hielt sie für mich auf. Noch eine höfliche Geste. Bitte hier entlang, Sir.
Ich trat ein. Der Bau glich den meisten Eishütten, die ich gesehen hatte. Rohe Wände und Decke, überall unbehandelte Bretter, ein kleines Fenster. Ein primitiver Holzboden mit einem viereckigen Loch in der Mitte, wo jemand das Eis aufgehackt hatte und nun dunkles Wasser schwappte. Als erstes sah ich die Angelleine, folgte ihr bis zur Angel und dann bis zu dem Mann, der sie hielt. Ich sah einen langen Pelzmantel. Derselbe Pelz wie an den Kragen der beiden Männer. Schwarze Lederstiefel, ebensolche Handschuhe. Das Gesicht des Mannes wirkte wie aus Stein gemeißelt. Er sah mich mit Augen an, die so dunkel waren wie das Wasserviereck zu seinen Füßen. Eine Gaslaterne stand auf der Bank neben ihm und verbreitete ihr weißliches Licht. »Mr. McKnight«, sagte er. »Willkommen.«
»Sind Sie Molinov?« fragte ich.
»Ja«, sagte er. »Kommen Sie doch rein und leisten Sie mir Gesellschaft. Ich glaube, Mr. Bruckman haben Sie schon kennengelernt.«
Ich stand vor ihm und fragte mich, wovon zum Teufel er wohl sprach.
Und dann sah ich Bruckman.
Er war hinter Molinov, zusammengekauert an der Rückwand, neben einem Kerosinofen. Er war vollkommen nackt; seine Haut sah aus wie blauer Stahl. Ich wußte nicht, ob er tot oder lebendig war, bis ich sah, daß er sich bewegte. Er zitterte.
»Setzen Sie sich«, sagte Molinov. Er wies auf eine rohe Holzbank zu seiner Linken. Ich setzte mich hin, mit langsamer Bewegung, wie in einem Traum. Ich blickte wieder zu Bruckman. Er hatte sein Gesicht von mir abgewandt.
Die anderen Männer setzten sich auf eine Bank mir gegenüber. Molinov griff nach einer Zigarre, tat einen tiefen Zug und legte sie wieder auf die Bank. Der Duft der Zigarre vermischte sich mit dem Geruch des brennenden Kerosins. »Vielleicht werden Sie mir ein paar Fragen beantworten«, sagte er. »Wo Sie schon einmal hier sind.« Ich konnte keinen ausgeprägten Akzent in seiner Stimme erkennen, aber er sprach jedes Wort so sorgfältig aus, wie ein Mann einer Geige Töne entlockt.
Er zog einen tragbaren Kassettenrecorder aus seiner Manteltasche und drückte auf einen Knopf. Das Band wurde abgespielt und füllte den Raum mit Bruckmans Stimme. »Hier spricht Lonnie. Hinterlassen Sie eine Nachricht.« Mehr sagte er nicht. Es folgte ein langes Schweigen und dann eine Nachricht nach der anderen.
»He, Lonnie, hier ist Miles. Kommst du nun, oder was? Ruf mich mal an, Mann.«
»Ja, Bruckman, hier ist Charles. Patty hat mir Ihre Nummer gegeben und gesagt, ich soll bei Ihnen mitmachen. Ich bin morgen gegen zehn im Stadion. Vielleicht seh ich Sie da.«
»Hey, Lonnie, hier ist Gobi …« Molinov sah mich an. Er hielt das Gerät etwas höher. »Es wird dir nicht gefallen, aber ich glaub, du hast da ein Problem. Ich bin hier im Horns Inn und hab grad deine Freundin gesehen. Sie war an der Theke und hat sich nach diesem Typen McKnight erkundigt, der gestern nacht gegen uns im Tor stand. Sieht so aus, als ob er so ’ne Art Privatdetektiv oder so was ist. Ich glaub nicht, daß sie mich da gesehen hat, aber ich hab nicht gewußt, was ich machen soll, weißt du? Sie hatte ’nen weißen
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