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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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glücklich hervor, »heut sind sie sogar von jenseits des Weißwurstäquators zu uns gekommen!«
    In der Tat war das Haus völlig aus ve rkau f t gewesen, weil die Leute Werner Krauß sehen w ollten, und vor dem Bühnenausgang m ußten sogar Siche r heits k rä f te a u f gestel l t w erden, um die Masse der Verehrer zurückzuhalten. Daher trug C a rla bereits ihren Mantel und war dabei zu gehen, als einer der Männer zu ihr sagte, da sei ein P aar, das behauptete, sie sehen zu wollen; er bitte um Verzeihung, aber auf Anordnung des Direktors habe m an heute eben nie m and aus dem Publikum hinter die Bühne lassen dürfen.
    Theateragenten traten nicht paa r weise auf, doch m an konnte nie wissen. Carla nahm hastig die Bril l e wieder ab. In der kühlen Mär z nacht, d i e aus ihrem Atem i mmer noch eine Wolke entstehen ließ, schälten sich ein Mann und eine Frau aus der Schar der Autogram m jäger hervor, die etwas Vertrautes an sich hatten. Sie kniff die Augen zusam m en. Dann schrie sie auf und rannte ihnen entgegen, ohne auf die Menschen zu achten, die sie dabei zur Seite stieß.
    »Kathi!«
    Die Begrüßung, die Erklärung, die Käthe vorbereitet hatte, verlor sich in der tiefen Erleichterung und Zärtlichkeit, die sie e m pfand, als Carla s i e s t ü r m i sch u m ar m t e. Sie hatte hei m lich d a m it gerec h net, daß Carla in i h rem verletzten Stolz wie d er eine Mauer um sich erric h tete, und es lag Käthe nicht, sich für etwas zu entschuldigen, das sie i mm er noch für richtig hielt. Carla ko n nte so viel m ehr aus ihrem Leben m achen. Doch nachdem Käthe sich m onatelang den Kopf darüber zerbrochen hatte, ob sie als Erzie h erin versagt hatte, weil s i e nicht erkannte, was offenbar jeder andere in München wußte, war sie auf eine Meth o de verfalle n , wie sie Carla i h re u n verbrüc h lic h e Zuneigung beweisen konnte. Der enthusiasti s che Brief, so ganz anders als die distanzierten Episteln aus Berlin, hatte den Ausschlag gegeben.
    »Dürfen wir Sie zum Essen einlade n , Carla ? « fragte Dr. Gold m ann, der Käthe begleitet und sich um d i e Karten geküm m ert hatte. Carla zögerte nur einen Moment. An und für sich wurde eine gelungene Pre m iere von dem Ensemble ge m e i nsam g e feiert, doch das verblaßte davor, daß Kathi ihre albernen Vorurteile gegen das Theater überwunden hatte und gekommen war, um sie in der Stunde ihres Glanzes zu bewundern. Also nickte sie.
    Anders als in Berlin war in Nürnberg die Ausw a hl an Lokalen, die um elf Uhr nachts noch war m e Mahlzeiten servierten, knapp be m essen, daher wunderte es Dr. Goldmann nicht, das Restaurant seiner Wahl sehr voll zu finden und auf s e inem reservierten Tisch bestehen zu m üssen. Während er Käthe und Carla die Stühle zurechtrüc k t e, stellte er fest, daß er Roberts Fre u ndin noch nie so glücklich erlebt hatte. Das zurückhaltende, schar f züngige Mädchen war durch eine lebhaften jungen Frau ersetzt word e n, eingehüllt in eine fast greifbare Aura von Lebenshunger und Erwartung. Sie schien nicht im geringsten m üde zu sein; vielleicht trug sie auch die Euphorie des E rfolges, obwohl er insgeheim nicht einsah, was an einer zweit k las s igen Provinzaufführung, die nur um einen weltberüh m ten Gastschauspieler aufgebaut war, so Besonderes sein sollte. Er war nicht des Theaters wegen nach Nürnberg gekom m en, sondern um Käthe dabei zu helfen, sich m it ihrer Schülerin zu versöhnen, und ein wenig auch aus Neugier; schließlich hatte er Carla seit Jahren nicht m ehr gesehen, und er war gespannt, ob sie ihn an ihre Mutter erinnern würde. Sie tat e s ni c ht. Statt des s en erk a nnte er beunruhigt, daß sie, wenn sie sich vorlehnte und Käthe wegen der kapitalistischen G e sellschaft, in der sie sich befand, neckte, etwas von Heinrich Fehr in guter Stimmung an sich hatte. Gleich darauf zerrann die Erinnerung wieder in Carlas eigene m , kein e m ihrer E l tern angehörenden Lächeln, m it d e m sie dank ihrer hohen Wangenknochen und dem Pagenkopf aussah wie eine zu f r iedene Katze vor einem geleerten Sahnetopf.
    »… und dann gibt es natürlich noch die Geschichte vom Gymnasiasten, d e r F ritz Kortn e r zum zigsten Mal um ein Autogr a mm bittet. Kortner wird es zuviel, und er fra g t, ob der Junge denn nicht all m ählich genug Autogramme von ihm hat. D a rauf erwidert der: Ja, wissen Sie, wir ta u schen in der Schule, und für zehn Kortner kriege ich e i nen Krauß!«
    Martin Gol d m ann lachte her z lich,

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