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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Pullovers hindurch, und sie spürte, wie ihre Haut sich zusam m en z og. Sie warf einen unsi c heren Blick auf Marianne, die m it über d e m Bauch g e falteten Händen und niedergeschlagenen Augen dasaß, und schalt sich innerli c h töricht. Soviel zu Mariannes guter Laune. Marianne würde für den Rest des Besuches Unglück in alle R i chtungen ausstrahlen. W arum hatte sie Philipps Be m erkung nicht einfach nur auf sich beruhen lassen können?
    Philipp zog sie n o ch etwas fester an sich, und an seinem ka u m m erklichen Lächeln er k annte s ie, d aß er genau wußte, daß sie sich nicht länger a m üsierte. Dann ließ er sie ohne jede Vorwarnung los, und sie stürzte ungraziös und sch m erzhaft auf den Boden.
    »Das tut m i r leid«, sa gt e Philipp. »D ie Berliner Moden si n d wohl doch etwas zu neu hier.«
    Mistkerl, dachte Carla, eingebil d eter, eis k alter Dreckskerl… Er half ihr noch nicht ein m al be i m Aufstehen, doch dafür be m erkte sie etwas anderes; auf dem Revers sei n er tadellos sitzenden Jacke trug er ein kleines Hakenkreuz.
    »Du m eine Güte, Phili p p«, sagte sie a u frichtig entsetzt, aber auch ein wenig belustigt, denn nun hatte sie wieder etwas gegen ihn in der Hand, »du wirst doch nicht diesem i d iotischen Verein beigetreten sei n ? Nur w eil d e r Mann auch Öste rr eich e r i s t … «
    »Philipp und ich sind beide Partei m itglieder geworden«, sagte Marianne in i h rer tad e lnd s ten Art. » W ir m öchten, daß unser Kind in einem Deutschland aufwächst, das frei von Parteigezänk und wieder stark und angesehen auf der W elt ist.«
    Carla zog den Pullover, den sie trug, wieder stra f f , dann erkundigte sie sich, ob sie etwas S t ärkeres zu trinken haben könne, sie brauche das jetzt. D as handelte ihr ein n o ch tieferes S tirnrunzeln M arian n es ein, doch sie erhielt ihr Schnapsglas, und um weder Marianne noch Philipp in ihren Erwartungen zu entt ä uschen, leerte sie es in einem Zug. Danach brauchte sie einige Zeit, um wieder at m en zu können, denn sie war den Schnaps nicht gewöhnt, und er brannte wie F euer in Hals und Magen.
    »Und wie«, fragte sie, als sie i h re Stim m e wieder unter Kontrolle hatte, » h alt e t ihr es m it dem soziali s tisc h en Teil in Nation a l s ozialismus. Ich meine, Kathi behauptet zwar, daß es da m it nicht weit her ist, aber dieser Strasser hat doch…«
    »Strasser ist unwichtig«, unterbrach sie Philipp. Er stand nun hinter Mariannes S t uhl und legte ihr eine H and auf die Schulter, als posiere er für ein Fa m ilienphoto. »Nur der F ührer zä h lt, und das ist Hitler. Es wird keine sozi a li s tisc h en Mät z c h en geben, aber dafür werden wir die ganze unfähige Nove m berclique los, die das Land in den Ru i n treibt, und die Ar m ee wird sich nicht m ehr verstecken m üss e n.«
    Das Kitzeln in ihrem Hals wurde unerträglich, und Carla hustete. Danach lächelte sie Philipp an. »Ach so«, sagte sie sanft, »jetzt verstehe ich. D u m einst, du wirst wie d er ganz offen Heereslieferungen haben, wenn die W i ederbewaffnung legal ist. Doch, das sind sicher hervorragende Kunden, die Nazis, m it all dem Leder, das sie jetzt schon für ihre Mäntel und Unifo r m e n brauchen.«
    »Es geht hier nicht um das Geschäft, sondern um Deutschlands Seele«, antwortete Marianne eisig. »Aber ich sehe schon, du bist im m er noch zu unreif und i m pertinent, um das zu begreifen.«
    Soviel zu dem Plan, über das Wochenende zu bleiben. Carla entschloß sich, den Abendzug zurück nach N ürnberg zu neh m en. Weil dem Tag ohnehin nichts m ehr abzugewinnen war, gestattete sie sich eine letzte Spitze.
    »Marianne, du m ußt aber darauf achten, daß Philipp keine von diesen scheußlichen braunen Unifo r men anzieht. Seine alte aus d e m Krieg ist schon schlimm genug. Er sieht soviel besser in Zivil aus, findest du nicht ? «
     
    Nach diesem Fiasko verbrachte Carla auch d as nächste Weihnachtsfest n i cht in Mü n chen, ganz abgesehen d avon, daß zu Heili g abend nac h m ittags eine Vorstellu n g f ür die Kinder gege be n wurde und sie zu Silvester als Cho r m itglied in der unver m eidlichen Fledermaus verplant war. E rst im Frühjahr ka m , zusam m en m i t einem dicken U m schlag aus A m erika, die Nachricht, die für sie das schönste Geschenk des Jahres darstellte. Auf der Besetzungsliste zu Richard III. fand sie sich außer als Hofda m e, Bote und Bürgerin in einer weiteren Kinderrolle wieder, als Herzog von York, einer der Prinzen.

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