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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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K äthe hö f lich, weil sie die Pointe nicht verstand; die Welt des Thea t ers war ihr so fern, daß sie weder von Fritz Kortner noch von dessen Anwartschaft auf den Thron, den Krauß innehatte, etwas wußte. »Selbstverständlich gibt es diese Geschichte auch in u m gekehrter F or m «, fügte Carla m aliziös hinzu,
    »aber Sie können darauf wetten, daß keiner von uns hier in Nürnberg das laut ausspricht.«
    Ihre nächste Krauß-Andekdote bli e b unerzählt, denn eine kleine Gruppe von vier Männern, die berei t s seit einiger Zeit m it dem Kellner argu m entiert hatte, kam an ihren Tisch.
    » W ir m öch t en Sie bitten«, sagte einer von ihnen in einem Ton, der gerade noch vor der Forderung halt m achte, »uns diesen Tisch zu überlassen. W i r warten schon seit einiger Zeit darauf.«
    »Das m ag sein«, entgegnete Dr. Gold m ann ruhig, »aber wir hatten ihn reserviert und benötigen ihn noch eine W eile.«
    »Da hast du’s«, sagte ein ander e s Mitglied der Gruppe. » S ei höflich, und sie kom m en dir unverschä m t. Hören Sie m al, als Sie reserviert haben, da haben S i e dem Kel l ner aber nicht verraten, was Sie sind. Ich kenn hier den Eigentü m e r , das ist ein anständiger Deutscher, und der will keine Juden in seinem Lokal.«
    Nun hatten sowohl Käthe wie auch Martin Gold m ann in ihrem Leben schon die ei n e oder andere a n tise m itische Anpöbelung erlebt, Dr. Gold m ann öfter als Käthe, da er m it seiner Brille und der langen N a se der herkömmlichen Vorstellung von einem Juden ähnlicher sah als Käthe m it ihrem herzför m igen, pausbäckigen P uppengesicht, das in ihrer Jugend so im Gegensatz zu den kühlen blauen Augen gestanden hatte. Aber solche unliebsa m en Begegnungen fielen im allge m einen in zwei Kategorien; entweder es handelte sich um Raufbolde von der Straße od e r um f eindselige S e iten h iebe b e i e i n er ges e ll s c h a f tlichen Gelegenheit, wie dem Willkom m ensessen für Marianne Fehr vor all den Jahren. Doch eine Mischung aus beiden von völlig Fre m den, verbunden m it einem lächerlichen T e rritorialanspruch, war neu, und sie brauchten eine W eile, um sich von der schieren Verblüffung darüber zu erholen.
    Das galt in d essen nicht f ür Carla. Sie rückte ihren Stuhl ein wenig zur Seite, da m it sie den Neuanköm m lingen ins Gesicht blicken konnte, und sagte m it eisiger Autorität:
    »Mein Herr, es i s t zweifellos zu spät, um bei Ihnen noch auf Manieren zu hoffen, aber wenn Sie sich und d e m Eigentü m er dieses Lokals einen Beleidigungsprozeß ersparen wollen, dann w e rden Sie sich u m gehend entschuldigen und verschwinden.«
    Der Mann schob das Kinn vor. Sein Begleiter, der zuerst gesprochen hatte, trat unruhig von einem B e in auf das andere. Die übrigen beiden verhielten sich abwartend. Carla drehte sich wieder zum Tisch und b eachtete sie nicht länger.
    »Dr. Goldmann«, erkundigte sie sich, jedes einzelne W ort betonend, »wie hoch war noch ein m al die Entschädigungssum m e, die Ihnen der H erausgeber des Völkischen Beobachters zahlen m ußte ? «
    Auf der Bühne hatte Martin Gol d m ann Carlas Darstellung nicht unbedingt überwältigt; sie war a n mutig und liebenswert als Prinz, m ehr ließ sich eigentlich dazu nic h t sagen, denn ihre übrigen Auftritte erforderten nur Geschwindigkeit im Umkleiden, die Beherrschung von ein wenig Text und genügend Aufmerksamkeit, um im Hintergrund keinem der Hauptdarsteller im W eg zu st ehen. Jetzt dagegen errang sie seine Hochachtung. Er öffnete den Mund, doch noch ehe er etwas antworten konnte, sagte der unruhige ursprüngliche W ortführer unver m ittelt: »K o mmt, wir gehen.«
    Die anderen fügten sich, wenngle i ch einer von ihnen sich noch ein m al u m drehte und rief: »Die Luft ist ohnehin verpestet«, ehe sie aus dem Ge s ichtsfeld der drei verschwanden.
    Käthe stieß die Luft aus, die sie unbewußt angehalten hatte. »All m ächtiger. Haben Sie wirklich ei n en Prozeß g egen die s es unsägliche Blatt geführt, Martin ? «
    »Aber nein, Kathi, das war gelogen«, gab Carla zurück. »Mir ist nur nichts anderes eingefallen, und ich wollte, daß sie so schnell wie möglich gehen, bevor sie uns die Feier verderben.«
    »Nun, das ist Ihnen gelungen.« Dr. Gold m ann hob sein Glas und hielt es ihr entgegen. »Auf die neue Düse!«
    Auch Käthe griff zu ihrem Glas, doch der V orfall ließ s i e so schnell nicht wieder los. Später sagte sie: »Auch das ist ein Grund, warum unsere Gesellschaft

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