Unter dem Zwillingsstern
m alies Bitte um den Tod von der Hand ihres Gelieb t en nicht nur plausibel, sondern als höchste E rfüllung erscheinen lassen m ußte, war ihr fremd. Sie glaubte nicht, daß sie je m anden m ehr lieben konnte als ihr eigenes Leben. Aber A m a l ie konnte es. Das war es, woran sie hatte arbeiten m üssen, vor Benno Vogel zu knien und m it der absoluten Überzeugung, die, das erkannte sie erst jetzt, Lina so täuschend einfach hatte erscheinen lassen, zu sagen: »Tod ist meine Bitte nur.«
Als Vogel sein »Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben!« rief, spürte sie zunächst ein m al nur glühende Er leichterung, daß nie m and gelacht hatte, und ließ sich m it dem Bewuß t sein fallen, es endlich hi n ter s ich zu hab e n. Für den kurzen Rest der Szene still lieg e n zu m üssen war kein Proble m , sondern eine Er holung nach all der Konzentration auf A m a l ies Sehnsucht nach dem Absoluten.
Erst bei den ge m einsa m en Ver b e ugungen, Robert an der einen Hand, Benno Vogel an der anderen, wurde ihr klar, daß es vorbei war, und wie Vorjahren in Hohencrem k ä m p fte sie m it den Tränen. Wenn sie Glück hatte, dann würde Lina noch eine oder zwei weitere Nächte aussetzen, aber länger nicht, und selbst falls doch, dieser erste Au f tritt in ei ner Hauptr o lle war unwiderru f lich vorbei, ein v e r f lossener Teil ihres Lebens, der sie dem Tod näher brachte. Sie verstand nicht, wie R obert nach Pre m ieren glücklich sein konnte.
Je m and bra c hte ihr einen Strauß, den Benno Vogel ihr in die Hand drückte, während er ihr zuzischte: »Um H i mmels willen, Fehr, nimm dich zusa mm en. Es ist ja gut, du bist nicht gefeuert.«
Darum hatte sie sich n o ch nicht ei n m al i m Traum Gedanken ge m acht. W ie albern von Herrn Vogel, das zu glauben. » W ie großzügig, wo die Leute doch in Scharen hinausströ m en«, m u r m elte Robert über den Applaus hinweg, und während der nächsten Verbeugung sah sie, wie sich Benno Vogels Nac k en rötete. Als sie in die Kulissen
zurückgingen, flüchtete Carla sofort in Lina Vogels Garderobe, die sie heute benutzen durfte, und li e ß ihren Tränen freien Lauf.
In der Nacht genoß sie den Luxus, dies m al ein eigenes Zimmer zu haben. Diese E m pfindlichkeit nach Pre m ieren in Hauptrollen m ußte sie loswerden, das wußte sie, aber noch nicht gleich; hier und heute war sie froh, daß es außer für sie keine Erstaufführung war und daher auch keine Notwendigkeit bestand, gesellig zu sein und f eiern zu gehen. Sie fühlte sich ausgepu m p t , erschöpft, wie ein ausgeleerter alter W einschlauch. N u r fiel es i h r rätselhafterweise schwer einz u schlafen. Einzelne Mo m ente der Aufführung tauchten vor ihrem inneren Auge auf, kleine, glitzernde Juwelen in der Dunkel h eit. Und als sie endlich in ei ne n dämmrig e n, leic h ten Schlaf hinüberglitt, klopfte es an ihrer Tür.
Robert stand draußen, m it hinter dem Rücken verschränkten Ar m en.
»Ich bin m üde, du Ungeheuer«, sagte Carla ungehalten.
»Aber ich muß m i ch noch bei dir revanchieren.«
Er zauberte eine Sektflasche und e i n Glas hervor, in dem bereits etwas Glitzerndes lag. »Du warst wirklich wunderbar«, sagte er und drückte ihr beides in die Hand. Das glitzernde Etwas entpuppte sich als Dia m antring, und Carla widerstand nicht, sie steckte ihn sich sofort an den Finger. Er saß etwas locker, und der Stein war nicht allzu groß, aber der Gedanke zählte. Erstens hatte noch nie m and ihr einen Dia m antring geschenkt, und zweitens wußte sie, daß er es sich eigentlich nicht leisten konnte.
Sie u m a r m te Robert. E r roch nach Zigaretten, je m andes Parfüm, Schweiß und m erkwürdigerweise nach Muscheln, und Carla rü m p fte die Nase. »Danke, aber sag m al, wo bist du gewesen ? «
»Das ist der zweite Grund, warum ich hier bin«, erwiderte Robert halb unbekümmert, halb erwartungsvoll. »Du hast eine Badewanne. Hast du zu m i ndest behauptet. Und i c h habe keine. Außerdem werde ich dir noch ein Geschenk m achen und dir in allen Details erzählen, was du schon im m er wi s sen wolltest.«
»Und das wäre ? « fragte Carla, während sie sich etwas von d e m Sekt einschenkte. Ihre Müdigkeit begann langsam zu weichen, und m it ihr das Gefühl von Verlust.
» W ie es ist, m it je m andem ins Bett zu gehen, natürlich. W as m einst du denn, wo ich war ? «
Carla versc h luckte sich b einah.
»Und du m e inst, das interessiert m i ch ? «
»Tut es das nicht? Oder hast du Angst ?
Weitere Kostenlose Bücher