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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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    Es war das alte Spi e l a u s ih r er Kindheit und doch anders, ein Teil des neuen Spiels von der Bühne. Sie schauten einander an, und etwas tanzte zwischen ihnen hin und her.
    »Nein«, erwiderte Carla und wies m i t dem Kinn auf die Badewanne.
    Im übrigen stim m te es, sie war ne ug ie r ig; sie h atte sich im m er gefragt, was ein Mann empfand, wenn er m it einer Frau schlief. Also hörte sie m it geschlossenen Augen zu und trank ab und zu aus ihrem Sektglas, während er erzählte, sich abschrubbte und wusch; erst als er die Kratzer auf seinem Rüc k en erwähnte, kam ihr ein unguter Verdacht.
    »Robert, du hast den Ring doch nicht etwa von dieser Frau… ? «
    »Mach dir keine Sorgen, sie hat genügend. Außerdem ist sie verheir a tet. Da f ällt m ir ei n , du hast s ie vielleicht a uch gesehe n , in d e r zweiten Reihe links. Die m it dem blauen Kleid und dem Notizblock. Sie vertreibt sich sonst ihre L a nge w eile m it dem Schreiben von Theaterreze n si o nen.«
    Von Rechts wegen sollte sie wüt e nd sein, entsetzt und e m pört. Das war Diebstahl, und hier m it ein e m gestohlenen Ring aufzukreuzen und m it seiner neuesten Eroberung zu prahlen gehörte bestim m t zu den verdrehtesten Dingen, die Robert je eingefallen waren. Nur wußte sie genau, daß er nicht nur prahlen wollte, son d ern diese Erfahrung m it ihr teilen, und das löste die l e tzten schwarzen Schleier von Depression und ersetzte sie durch Befriedigung. Vielleicht w ar es der Sekt und die späte Stunde, aber die Vorstellung erschien ihr obendrein noch ko m i sch, und sie begann zu lachen, ein Gelächter, in das er einfiel.
    »Mach weiter«, sa g t e sie, nachdem ihr Zwerch f ell s i ch wieder beruhigt hatte. »Erzähl m i r m ehr.«
    Die Münchner Neuesten Nachrichten brachten unter dem Titel T HEATER IN DER P ROV I NZ einen Bericht über die Räuber, doch er unterschied sich im Ton erheblich von den enthusiastisc h en Lobeshy m nen der Regionalblätter.
    »Dem jungen Herrn König scheint nicht klar zu sein, daß er Franz Moor spielt, nicht Ric h ard III.; die Niedrigkeit der Kanaille lie g t außerhalb seines Erfassungsbereich e s. Einem ähnlichen Irrtum erliegt Carla Fehr als Am alie, die sich offenbar in einer Wedekind-Aufführung wähnt und eine von Sch i llers schönsten Frauengestalten in den Schmutz zieht. Beide sind vom Regisseur (kompetent, aber etwas blaß als Karl Moor: Benno Vogel) fehlbesetzt; was den Rest der Darsteller angeht…«
    Es wunderte nie m anden, daß von e i nem neuen Engage m ent für die nächste Sai s on nic h t lä n ger d i e Rede war, obwohl die restlichen Blätter sehr wohlwollend b e richteten, bis auf die Münchner Post, die einer von Käthes Kollegen gesch i ckt hatte und zwar »die frische Darstellung der jungen Schauspieler« pries, aber den Rest der Inszenierung als hausbacken und alt m od i sch verdam m t e. Noch am Tag des Erscheinens der Kritiken nahm L i na Vogel ihre Rolle wieder auf; in der nächsten Stadt stand erneut der Hexer auf dem Spielpl a n.
    Robert küm m erte es w e nig, wieder auf Nebenrollen zurechtgestutzt zu werden, obwohl er sie deutlich unter Pr o t e s t spi e lt e ; er hatte b e reits ein neues Projekt im Auge. Es basierte auf einer kleinen, vernünftigen Idee von Max Kern, die den doppelten Zweck erfüllen sollte, für seine Schule zu werben und seinen Li e blingssch ü l e r zu b eschäftigen, und lief im wesentlichen darauf hinaus, daß Robert die Internatsräu m lichkeiten während der Sommerferien nutzen konnte, um Kurse und Auffüh r ungen m it int e ressierten Jugendlichen abzuhalten, die ihre Eltern danach hoffentlich überredeten, sie ganz nach Lubeldorf zu schicken.
    »Einverstanden, aber wir m üss e n d e m Ganzen noch ein wenig Pfeffer verleihen«, schrieb Robert an Max Kern und breitete nichts Geringeres als den Plan für die neuzugründenden Som m erfestspiele von Lubeldorf vor ihm aus. Die Aufführungen würden nicht allein von A m ateuren, sondern auch von professionellen Schauspielern (»aus ganz Europa ich kenne genügend«) bestritten werden, in einem G e m e i nschaftsprojekt, bei d e m kein anderer als Bert Brecht (»seine Zusage ist uns so gut wie sicher«) Regie führte. W eil es sich m it solchen Zugpferden nicht lohnte, nur für das Publikum a us Heßling, der Lubeldorf nächstgelegenen Kleinstadt, zu spielen, m ußten sie selbstverständlich den Radius ihrer Be m ühungen bis nach Ha m burg ausdehnen, die entsprechende Werbung machen und für

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