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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wie ei n e junge Frau, die m it einem Mann allein ist, den sie haßt und der sie begehrt. Sie ist zu alt, d achte Carla m it der Gr a usa m keit ih r er neu n zehn Jahre, zu m atronenhaft. In Candida und im Hexer war Stefanie Hum m el, noch zwei Jahre älter als Lina Vogel, die zweite Besetzung für sie gewesen; kein W under, daß m an für Amalie je m and anderen brauchte. Am Schluß der Vorstellung war Carla überzeugt, etwas Besseres zustande zu bringen als diese ges c h m ackvolle, aber nicht weiter aufregende Schauspielkunst, etwas, das Robert wirklich herausfordern würde.
    Dennoch war sie glücklich für ihn; da er bereits in der vorletzten Szene starb, in einem grandiosen Selbst m ord, und sie in der letzten noch als Mitglied der Räuberbande im Hintergrund zu stehen und »Haupt m ann, Haup t m a nn« zu ruf e n hatte, tra f en sie sich beim Szenenwechsel. Robert kam von der B ühne, bereits dabei, sich Franz Moors Schlafrock vom Leib zu reißen, und in den Augen die erschöpfende Gewißheit des Triu m phs, als er Carla sah.
    »Und ? «
    Er wartete auf ein Kompli m ent, verbunden m it einer kleinen Stichelei, oder auch einer großen, das war ihm gleich, aber obwohl ihm der Kopf noch m it Franz Moor und der Erkenntnis, sich bewußt der Verdammnis zu überlassen, schwamm und er wußte, daß die Belohnung, das begeisterte P ubliku m , nur Minuten entfernt war, brauchte er hier und jetzt eine Bestätigung, v on der einzigen Person in dieser Stadt, deren Urteil ihm wirklich etwas bedeutete.
    Carla sagte kein W ort. Was sie statt des s en tat, kam ihm später als der perfekte Abschluß des Abends vor, noch besser als der Beifall, der ihn erwartete. S i e nahm seine Hand in ihre, führte sie in einer raschen, gesch m eidigen Bewegung zu ihrem Mund und küßte sie. Dann spürte er ihre Zä h ne, als sie ihn kurz, aber heftig biß. Sie zwinkerte ihm zu und rannte m it den restlichen Räubern auf die Bühne.
    Das schwäbische Tagblatt und der Hübersbrin g er Anzei g er waren nur die ersten, die sich in Elogen über »Robert K önig, das jugendliche Phäno m en« ergingen, den Wunderknaben, der am Großen Schauspielhaus von Zürich gespielt und in Hollywood gefil m t hatte, und den Re s t des Ensembles in kurzen, schulterklopfenden Platitüden abhandelten. Zu d e m Ze i tpunkt, als der Grüne Hut W ürtte m berg verließ und nach Bayern ka m , fand e n sich die ersten überregionalen Zeitungen ein. Das war auch der Mo m e nt, als L i na Vogel Carlas inständigen Gebeten an ein nicht näher definiertes höheres W esen, das über Schauspieler wachte, nachgab und sich m it einer Erkältung und nervöser E r schöpfung ins Bett legte.
    In Lina Vogels blonder Perücke und ihrem Kostü m , das nur an der Taille und den A r m en etwas enger gesteckt werden m u ßte, stand Carla in Augsburg auf der Bühne und beschwor die Rache des H i mm els auf Roberts Haupt herab. S i e hatten oft genug über diese Szenen diskutiert, denn da sonst nie m and auf der Bühne stand, waren es die einzigen, in denen sie sich nicht nach Benno Vogels Anweisungen zu richten brauchten, ohne zu befürchten, deswegen die übrigen Mitspieler, die an Linas Auffassung gewöhnt waren, aus dem Konzept zu bringen. Also verhielt sich Carla ruhig und m itfühlend m i t dem alten Moor, hingebungsvoll lie b end m it Benno Vogel als Karl, doch in den Konfrontationen zwischen A m alie und Franz ersetzte sie Linas Darstellung der souveränen, unantastbaren Tugend durch die widerwillige Attraktion, die sie selbst für Philipp e m pfand. Außerdem hatten sie und Robert sich darauf geeinigt, daß Am alie und Franz an ke iner Stelle ruhig ste h en bleiben sollten; sie umkreisten sich wie z w ei hungrige, junge Tie r e, die nach einander schnappten.
    »Herrgott noch m al, Fehr«, sagte B enno Vogel in der Pause aufgebracht, »ich hatte gehofft, daß wenigstens du dich an die Regieanweisungen hältst!«
    »Das tue i c h. Das steht alles so b ei Schill e r. Er klop f t ihr a uf die Brust. Sie ohrfeigt ihn. Sie fällt i h m um den Hals. S i e zieht gegen ihn den Degen…«
    »Gott, bewahre m i ch vor belesenen Schauspielern.«
    Die wirklich schwierigen Mo m en t e ihrer Darstellung warteten in den Szenen m it Karl, nicht m it Fra n z, auf sie, aber s i e wußte, wenn sie hier versagte, würde jeder einzelne Zuschauer denken, daß sie nur m it Robert spielen konnte. Die u n bedingte Leidenschaft, die eine Zeile wie »Mörder! Teufel! Ich kann dich Engel nicht lassen« und A

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