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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Die Anstalt sprach von Selbst m ord. D e r Tod von Elly W eithaus ging ihr auch jetzt noch, Monate nach den Artikeln, die im m erhin für eine Untersuchung der Recht m äßigkeit von Ellys Einweisung gesorgt hatten, wie ihr e igen e r Schatten n a ch; Käthe s ah in E lly W eithaus das, was sehr leicht ihr eigenes Schicksal hätte w erden können. Statt dessen war sie nun in Berlin und besuchte Wahlka m pfve r anstaltungen.
    Was sie vorfand, erschreckte sie zuti e fst. Seit im März die letzte Mehrheitsregierung zurückgetreten war, regierte Reichskanzler Brüning m it Hilfe von Notverordnungen des Reichspräsidenten, und erst die jet z ige W ahl sollte de m okrati s che Verhältnisse wieder h erstellen. Doch die Veranstaltungen der Parteien waren nicht gut besucht. Da m it hätte sie leben können; schli e ßlich wünschte sie den Sieg der kom m unistischen Partei. Aber Käthe waren inzwischen Zweifel gekom m en, h a uptsächlich, weil Ernst Thäl m ann die KPD so unbedingt auf den Moskauer Kurs eingeschworen hatte und sie in ihrem Herzen im m er noch Trotzkistin war. Und zu ihrer Bestürzung war die Partei, deren Versammlungen und D e m onstrationen den m eisten Beifall von desillusionierten Arbeitern erhie l ten, keine andere als die NSDAP.
    »Wer zahlt?« hieß ihr erster nach Münch e n geschickter Artikel. Eine kleine Partei, die Säle m i eten konnte, Plakate, Flugzettel drucken, in einem Stil, der s ich von den großen Parteien nicht m ehr unterschied, das finanzierte sich nicht nur aus den B eiträgen der Mitglieder. »Nach ihren Reden sind die Nationalsozialisten ebenso antikapitalistisch eingestellt wie die Kommunisten. Sie begründen ihre Angriffe auf die Sozialdemokratie da m it, diese sei von den Kapitalisten korru m piert worden. Nur zieht sich durch alle Reden das Argu m ent: W i r bek ä mpfen nicht das Industrie- und Agrarkapital, sondern nur das Leihkapital, das B ö rsenkapital, das ganz und gar in jüdischen Händen ist. Die Begri ff stut z igkeit läßt sich kaum überbieten…«
    »Na, na«, sagte ein Kollege von den großen Nachrichtenagenturen, den sie von früher kannte, als sie i h ren Artikel nach München durchgab. »Meinen Sie nicht, Fräulein Brod, daß Sie da etwas voreingenom m en sind ? «
    »Aber Sie wissen doch selbst, daß es kein von allen anderen getrenntes Börsenkapital gibt und d a ß nur ein verschwindend kleiner Teil davon von Juden…«, begann Käthe, ehe ihr die volle Bedeutung der Frage kl arwurde. Sie unterbrach sich.
    »Inwiefern voreingenomm e n ? « fragte sie kalt.
    »Regen Sie sich m an nich auf. W i r haben alle unsere Stam m eseigentü m lichkeiten. «
    In München hatte Käthe sich inz w ischen daran gewöhnt, im m er wieder SA-Männern oder Studenten zu begegnen, die m it Parolen wie »Juda Verrecke!« durch die Gegend zogen, doch dies war Berlin, das traditi o nell lin k e, großstä d ti sc he, au f geklärte Berlin. Als dem Café a m T i ergarten, in dem sie sich von der Lauferei eines langen Tages erholte, plötzlich m it der gleichen Par o le die Fenster eingeworfen wu r den, erinnerte sie das n ur allz u sehr an den Nove m ber 1923. »Glauben Sie, es gibt einen Putsch ? « wurde zu ihrer am häufigsten gestellten Frage.
    Sie beschloß, Carla abzuholen. Car l a war nach einer erfolgreichen Saison in Dar m stadt von einer der Reinhardt-Bühnen engagiert worden, was weniger Gage bedeutete, ein U m stand, den, wie sie Käthe erklärt hatte, m an ruhig auf sich neh m en konnte, wenn m a n dafür wirklich m it Max Rein h ardt a rbeitete. Also würde sie b a ld an der Pre m iere des Schwierigen, m it Helene Thi m ig in der Hauptr o lle, t e ilneh m en und danach als Helena eine der jungen Liebenden in einer von Max Reinhardts legendären Sommernachtstraum -Inszenierungen spielen.
    »Sie m ach e n sich keine Vorstellung von d e m , was das bedeutet, Kathi!« hatte sie m it leuchtenden Augen hervorgesprudelt, als Käthe in Berlin ei n getroffen war.
    »Mag sein, aber wenn er dir wen i ger Gage zahlt, als du in Dar m stadt bekom m en hast, wie steht es dann um deine Miete ? «
    Dazu, so erfuhr sie von ihrer e h e m aligen Schülerin, sei der Rundfunk da. Es war, für Käthe nicht weiter überraschend, eine Idee des quecksilbrigen Robert, der sich im letzten Ja h r an dem löblich e n Versuch der Beschäftigung von A r beitslosen in Fo r m einer von der Regierung subventionierten Theatergruppe beteiligt, aber nach einer erfolgreichen Saison das Int e res s e

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