Unter dem Zwillingsstern
verloren h a tte. S e i n n e u es t er En thusias m us galt dem Radio, und da war er nicht der einzige. In einigen Zeitungen standen Anleitungen, wie m an s i ch Radiogeräte selbst bauen konnte, fast jeder Haushalt hatte eines, Börsenkrach hin, Schwarzer Freitag her, und die Sender brauchten dringend Schauspieler und Sänger, um ihr Progra m m zu füllen.
»Robert hat natürlich schon m ehr Aufträge, als er anneh m en kann, obwohl er sein Möglichstes gibt, es doch zu tun«, lautete Carlas Kom m entar, ehe sie Käthe von ihr e n eigenen Engage m ents erzählte. Nun, Gedichte und Ro m ankapitel vo r zutragen, ganz zu schweigen von Nachrichten, war, soweit es Käthe anging, eine den Menschen weitaus nützlichere Beschäftigung, als auf der Bühne zu stehen und vorzugeben, m an sei je m and anderes. Daher empfand sie es als besser, Carla beim Rundfunk abzupassen, dann konnte sie sich wahrheitsge m äß interessiert über ihre A r beit erkundigen und außerdem über ihre eigene sprechen.
Sie fand Carla in der Kantine des Senders, i n m itten von einigen jungen Leuten, einschließlich des w ild gestikulierenden R obert, die anscheinend heftig über etwas disk u tierten. Als sie sich erkundigte, worum es ging, in der hoffnung s vollen Überzeugung, daß es die Wahlen waren, enttäuschte sie die A ntwort z u tiefst.
»Das Gastspiel des Japanischen T h eaters! Es i s t einfach sensati o nell. Bei Kiyoshi Mi m a su kann m an sehen, wie jeder einzelne Gesichts m uskel in Gang geset z t wird, als er die Leiche sei n es Vate r s entdeckt. Ich habe noch nie eine solche Panto m i m e erlebt, außer bei Werner Krauß.«
»Die Japaner sind besser als Krauß!« begehrte einer von Carlas Kollegen auf. »Das ist das The a ter der Zukunft. Das bürgerliche westliche Illusionstheater hat ausge s pielt, wir müssen die a s iatischen Traditionen m iteinbeziehen, diese extre m e Stili s ierung. Brecht tut das jetzt schon. D a m it rüttelt m an das bourgeoise Publikum wach, und…«
»Carla«, unterbrach Käthe in dem Tonfall, den sie zu ihren Lehrerinnenzeiten gelegentlich angewandt hatte, »ist dir bewußt, daß heute gewählt wird ? «
Carlas Augenbrauen verschwanden fast unter ihrem Pony. »Sicher, Kathi, aber du weißt doch, daß ich noch nicht wahlberechtigt bin.«
»Ich m ache m i r Sorgen«, sagte Käthe etwas ge m äßigter, »Sorgen, daß es zu einem Putsch kom m t. In der Gegend, wo du wohnst, ist es nicht sicher. Aber das Hotel, wo m i ch m eine Redaktion untergebracht hat, s t eckt fast so voller S i che r hei t sk rä f te w i e voller Journalisten.«
Das Haus, in dem sich Carlas Z im m er befand, stand neben dem Kaufhaus eines jüdischen Besitze r s, das war es, was ihr nach dem Erlebnis im Café auf der Seele lag.
»Ach, m achen Sie sich m an keine Sorgen, Fräulein«, be m e r kte eine kleine Blondine neben Carla. »Die Nazis, die können noch nicht ein m al ein Theater ric h tig or g ani s i eren. Nächsten Monat w o llen s i e im Wallner die Nationalsozialisti s che Volksbühne eröffnen, und sie haben noch immer keine Truppe zusam m en. Und der Verein soll putschen ? «
»Vielleicht müssen sie das auch gar nicht«, warf der Bewunderer japanischer Stilistik ein und verhinderte da m it einen Ausbruch Käthes über politische Ignoranz. » K ann doch sein, daß sie gewinnen.«
Carla, die sah, wie Käthe die Lip p en zusam m enpreßte, er g r iff die Initiative. »Danke für das Angebot, Kathi, aber ich habe heute abend Probe; am 18. ist doch die Pre m iere. Das dauert ewig, und am Ende ist die W ahlnacht schon vorbei, bis ich daheim bin.«
»Das kommt davon, wenn m an freiwillig für ein Fossil ar b eitet«, sagte Robert zu ihr, »statt vernünftig zu sein und Gründungs m itglied des Her m es-Theaters zu werden.«
»Und bis in alle Ewigkeit auf m eine Gage zu warten, m it der der Direktor seine Mahlzeiten fin a nziert«, gab Carla zurück, und die Tischrunde lachte. Es w ar hoffnungslos. Käthe gab sich Mühe, nicht verletzt zu sein, doch sie konnte d e n Vorwurf in ihrer S tim m e nicht unterdrücken, als sie sich verabschiedete.
Die jungen Leute m erkten kau m , daß sie fort war. Robert hatte schon im Som m er g e meinsam m it Peter W e r m ut, der für Finanzen und Verwaltungsfragen vorgesehen war, die Gründung eines neuen Theaters angekündigt, und nun hielt er unter den Schauspielern, die er vom Rundfunk her kannte, nach Mitarbeitern Ausschau. Obendrein gaben ihm die Diskussion über das japanische
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