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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hinzugenom m ener Stellen aus C oriolanus hinaus.
    »Grundgütiger, Robert«, sagte Peter We r m ut halb ehrfürchtig, halb entsetzt. »Die Kritiker w erden uns umbringen.«
    Das m achte Robert weniger Sorgen als der Mord, über den er in jeder Probe mit dem betreffenden Darst e ller stritt; nicht die Er mordung Caesars, d i e sa m t lichtreflektieren d er Dolche hervorragend klappte, sondern die kleine Szene m it Cinna dem Dichter, der von der Menge m it Cinna dem Verschwörer verwechselt und umgebracht wird. Robert sah Cinna als Marchbanks, a l s schwär m erischen Ästheten, der im Kontrast zu der unifor m ierten Menge ste h en sollte. Hel m ut Holpert, der Cinna spielte, vertrat die Auffassung, Cinna solle wie Brutus ein Liberaler sein, ein typisch e r Leserbriefschrei b er, e n gagiert, aber unfähig, sich zwischen den Parteien zu ent s cheiden, die ihn vernichten. Der Tag der P r e m iere rückte näher, und noch i m m e r hatten sie keine Einigkeit über diese Sze n e erzielt.
    » W ir haben im m er no c h keine Kostü m probe gehabt«, sagte Peter We r m ut nach einem weiteren ver g eblichen Schlichtungsversuch erschöpft, »die Musikeinsätze klapp e n nicht… wie wäre es, wenn wir die Pre m iere ein paar Tage verschieben ? «
    »Auf gar keinen Fall!« stieß Robert zornig hervor und schlug m i t der Faust auf seinen kleinen Regietisch, was den Teller m it d e m halbaufgegessenen Schinkenbrot, der darauf stand, um ein Haar auf den Fußboden befördert hätte. »Ich will am Tag vor Reinhardt Pre m iere haben, das ist unerläßlich!«
    Bei all seiner Schüchternheit und seinem leichten Stottern war Peter W e r m ut nicht unbeschränkt belastbar; auch sein Te m p era m ent war in der L age, sich zu entzünden.
    » W enn wir m it ein e m unfertigen Stück debütieren«, antwortete er gefährlich leise, »dann sind w i r das Gespött von Berlin und am nächsten Tag arbeitslos, von den Schulden bei m einen Investoren ganz zu sc hw eigen. W e nn du nicht bekommen kannst, was du willst, Robert, dann m ußt du eben lernen zu wollen, was du bekom m st!«
    »Du vielleicht«, sagte R obert und begann wieder zu essen, »aber ich nicht. Nie m als. Was die Mu si keinsätze angeht die schaffen m ehr Proble m e, als sie wert sind. W ir sch m eißen sie raus, bis auf die Fanfaren vor Caesars A uftritt.«
    »Was? Nach all der…«
    »Raus«, wiederholte Robert unbeeindruckt und verlangte, daß m an ihm ein zweites Brot bringen solle.
    Um d e m D r uck eine Weile zu entkom m en, üb e rließ er an diesem Tag d e m e m pörten Peter das Feld, machte ei n en Aus f lug ins f eindliche Lager und holte Carla nach ihrer Sommernachtstraum-Probe beim Deutschen Theater ab. »Ich habe es satt, verantwortlich zu sein«, sagte er zu ihr. » L aß uns etwas ganz und gar Verrücktes tun.«
    » W ie verrückt?« fragte s i e zur ü ck und hakte sich bei ihm ein.
    » W arst du schon ein m al in einer Transvestitenbar ? «
    Verrücktheit erwies sich als ansteckend. Sie zog sich u m , aber das war nicht alles; als sie wieder aus i h rem Z i m m er auftauchte u nd sich m it einer Verbeugung aus der Hüfte heraus präsentierte, stellte Robert fest, daß sie sich erstaunlich glaubhaft als Mann verkleidet hatte. Ihr Haar war an der Seite gescheitelt und m it Po m ade zurückgekäm m t, sie mußte sich die Brüste s traff einge w ickelt habe n , ehe s ie das He m d darüber anzog, und der Smoking, den sie trug, kaschierte den Rest ihrer weiblichen Figur.
    » W o hast du den S m oking her ? «
    In ihren Augen tanzten kleine goldene Funken. » W as ist, hast du Angst, dich so m it m ir b licken zu la s se n ?« fragte sie m it der heisersten Jungenstim m e, zu d e r sie i m stande war.
    Danach ging er m it ihr natü r lich in d i e Bar, die ihm als die verruc h teste von ganz Berlin bekannt war. Es war ein ähnliches Gefühl wie während ihrer einwöchigen Flucht nach Berlin, ein Ausbruch und eine Verschwörung gegen die W elt. Es stellte sich heraus, daß es noch andere m ännlich-weibliche Paare außer ihnen dort gab, die wegen der Exotik gekommen waren, nur schien tatsächlich keiner Carla ihre W eibli c hkeit a n zumerken. Die Sänger i m itierten alle b erüh m te Fil m stars, zum Teil sehr gut, und während einer exzellenten Greta Garbo, die ein Chanson von Hollaender sang, forderte Carla Robert zum Tanzen au f . In dem roten Li c ht wirkte i h r po m adisiertes Ha a r braun, fast schwarz, und da es ihre Stirn völlig freiließ, sah ihr Gesicht

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