Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Fröhlichkeit, und sie summte eine der Melodien vor sich hin, die sie in Nürnberg im Chor der neujährlichen Fledermaus hatte m itsingen müssen. W as auch immer geschah, heute würde ein unvergeßlicher Tag werden.
    Auf d e m Flur begegnete Carla e i nem der anderen Mieter, den sie kurz grüßte. Neben d e m Telefon lag ein Buch, i n das m an Zeitpunkt und Dauer der Gespräche eintragen m ußte. Der runde Bleistift in ihrer Hand lenkte sie von ihrer Ner v osit ä t ab; sie balanci e rte ihn zwischen den Fingern hin und her, während sie m it der anderen Hand wählte und sich durch das A m t m it der Numm e r verbinden ließ, die auf der Karte stand.
    »J a ? « sa g t e Philip p ; irg e ndwie war e s typisch fü r ihn, daß e r sich nicht m it seinem Na m en m eldete u n d erwartete, daß m an ihn an der Stim m e erkannte.
    Carlas Sinn für das Ab s urde ließ sie entgeg n en: »Hier ist a u ch Ja, Tochter von Nein und Schwägerin von Vielleicht.«
    Am anderen Ende herrschte kurzes S chweigen. Ihr Herz begann zu hämmern; wenn er j e tzt au f le g te, dann war die Sache erledigt, so oder so.
    »Mittags«, sagte Philipp abrupt. »Ich schicke dir einen W ag e n. W o bist du ? «
    »Im Funkhaus. Dein Chauffeur w i rd sich unters Volk m i schen müssen«, erwiderte Carla sarkast i sch und hängte auf. Kurz angebunden zu sein war ein Spiel, das zwei spielen konnten.
    Der Zufall wollte es, d aß Moni k a von Antwolfen sie als erste sah und nach ihrer üblichen distanzierten Begrüßung ungewöhnlicherweise noch weitere W orte an sie richtete. »Was für ein schönes Kleid«, m einte sie. »Aber ist es nicht ein wenig zu elegant für einen einfachen Arbeitsta g ?«
    Warum fiel so etwas nur anderen Frauen auf? D ie Männer, Hugo, Peter und Robert, schauten überrascht drein, als hätten sie es jetzt erst be m erkt. Tatsächlich war das grüne, enge Kleid im chinesischen Stil ihr zweitbe s tes das beste war ein Abendkleid und neu noch dazu; Asien war in diesem Her b st große Mode geworden, und sie hatte für das Kleid sparen m üssen. Es gab wenige Frauen, die Grün tragen konnten, ohne daß es ihre Haut fahl erscheinen ließ, also genoß sie das Gefühl der Exklusivität, das ihr dieses Kleid verschaffte. Heute wollte sie sich gut fühlen.
    »Kein Tag ist einfach«, erwiderte C arla m it ihrem besten Renate-Beuren-Lächeln, »an dem ich m it dir arbeiten m uß, Monika.«
    Das konnte sie auffassen, wie sie wollte; jedenfalls fiel ihr offenbar keine geeignete Antwort ein.
    Sie brachten ihr Programm, eine Dra m atisierung von E.T.A. Hoff m anns Novelle Der Sandmann, proble m los hinter sich, doch Hugo fiel auf, daß Carla m ehrfach auf i h re A r m banduhr blickte, und als sie fertig waren, fragte er sie, ob sie eine Verabredung habe, was sie, ohne m it der W i m per zu zucken, bestätigte. Robert stritt gerade m it Peter W ermut darü b er, wann sie Caesar zugunsten von Der Florentiner Hut absetzen konnten, und hörte sie nicht, aber Monika und die beiden Studio m usiker waren ganz Ohr. Der Tontechniker warf sie hinaus, weil das kleine Studio wieder gebra u cht wurde, und während Peters beschwichtigende Stim m e noch m einte, es sei doch W a hnsinn, in diesen Zeiten, wo die Menschen immer häufiger in die viel billigeren Kinos gingen, ein erfolgreiches Stück fallenzulassen, ehe es ausgespielt sei, und Hugo v e rsuchte, Carla auszuhorchen, rannte ihnen der von jeder m ann als Laufjunge benu t zte Neffe des Portiers hinterher.
    »Fräulein Fehr, da wartet am Eingang je m and auf Sie.«
    »Bis m orgen«, sagte Carla, zog ihren Mantel über und folgte ihm. Philipp hatte tatsächlich einen Cha u ffeur geschickt. Arbeit s beschaffung s m aßn a h m en, dachte sie und unt e rdrückte das aus der Anspannung geborene Kichern, das in ihr a u fstieg. Sieh es als Auftritt an, sagte sie sich. Das L a mpenfieber wird aufhören, sobald du die Bühne betrittst. Du weißt doch schon alles, was es zu wissen gibt, nur die Praxis fehlt noch. Und wenn du mer k st, daß er ge m ein w i rd, dann m achst du e i ne souveräne, schneidende D a m e-von- W elt-Be m erkung und versch w i ndest.
    Nach einer in völlig e m Schweigen verbrac h ten Fahrt h ielt d e r Chauffeur vor einem Haus in Cha r l o ttenb u rg an, stieg aus und öffnete Carla d ie Tür. »Die Wohnung im dritten Stock i s t es«, sagte er m it einem Aug e nzwinkern.
    Ärger erfaßte sie und vertrieb ihre N ervosität. Wofür hielt er sie eigentlich? U nd wofür hielt Philipp sie,

Weitere Kostenlose Bücher