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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Robert und ihr anonym einen Artikel aus einem der braunen Blätter geschickt, in dem es hieß, es sei doch kennzeichnend für das zeitgenössische Kli m a, daß nicht nur eines, sondern zwei Theater der Hauptstadt ein Stück aufführten, in dem die Rassenschande propagiert wurde. F r üher hätten sie d a rüber gelacht, aber m ittl er weile war e s nicht m ehr ko m isch. W as, wenn Hitl e r t a tsächlich Präsident wurde? Es g a b jetzt schon dank der Notverordnungen Zensur m aßnah m en i m Film, in der P r esse und all m ählich auch im Rundfunk.
    »Die deutsche Freiheit«, schrieb Kathi, »lie g t in den let z ten Zügen. W i r werden seit anderthalb Jahren von einer nicht gewählten Regierung regiert, die von einem alten, senilen Monarchisten jederzeit durch eine andere ungewählte Regierung ersetzt werden kann, und nun soll dieser senile Monarchist unser einziger Schutz vor der Diktat u r sei n ?«
    W ie sähe das Leben unter einer Di k t a t u r woh l au s? Ein ständiger neunter Nove m ber 1923? Oder hatte Monika recht, die bei einem ihrer gelegentlichen Versuche, das Gespräch an sich zu ziehen, ge m eint hatte, die Deutschnationalen unter Hugenberg würden sich Hitlers gewiß nur be d ienen, um an die Macht zu kom m en, und ihn dann so bald wie m öglich kaltstell e n? »Du«, hatte sie, zu C arla gewandt, hinzugefügt, »brauchst dir natü r lich in k einem Fall Sorgen zu m achen, m i t deinen Verbindungen.«
    Das Telefon schellte, und die Spitze ihres Bleistifts brach ab. Sie lief zur Tür, aber die V er m ieterin war schneller. Ungeduldig stand Carla neben ihr, während die Frau eine endlos lange Zeit brauchte, um ihren Na m en zu n e nnen, »Ja… ja, gleich….« zu sagen und den Hörer an sie weiterzureichen.
    »Carla, Goldkind«, sagte die Stimme ihres Agenten, »kennen Sie eine englische Erzählung, die Carmilla hei ß t? Nicht Ca m illa, Car m illa, m it r? Von je m and e m na m ens Le Fanu ? «
    »Nein… nein, leider nicht.«
    »Dann besorgen Sie sich das D i ng so schnell wie m öglich. Universal Europa will einen F ilm produzieren, der darauf basiert, und Paul Kohner m ö c hte, daß Sie einen Lein w andtest m a c hen.«
    Er m achte eine erwartungsvolle P ause. »Carla? Sind Sie noch dran ? «
    »Ja.«
    W arum m achten wic h tige Ereig n is s e sie im m er so ein s il b ig? S i e besann sich auf ihre Rolle und gab einige enthusiastische Phrasen von sich, bis ihr einfiel, was er ihr noch versch w i egen hatte.
    »Herr Held, f ür welche Rolle soll ich getestet w erden? Eine kleine oder eine große ? «
    »Ihr Schauspieler seid doch alle gleich«, erwiderte ihr Agent und lachte. » W enn die K a mera Sie m ag, ist es die Hauptrolle. Falls nicht, dann haben wir auf jeden Fall einen Fuß in der Tür. Nachdem der Professor Sie aus Ihr e m Vertrag entl a ssen h at, da m it Sie Ihrem Freund beistehen können, ist das ein Gottesgeschenk. Und nun notieren Sie sich m al…«
    Als sie auflegte, at m ete sie ein m al tief durch. Dies m al vergaß sie den üblichen Eintrag, als sie m it fliegenden H änden Roberts Telefonnum m er wählte. Monika m eldete sich.
    »Sekretariat König ? «
    »Hier ist S ekretariat F ehr«, a n twortete Carla und unterdrückte mühs a m ihr Gelächter. Obwohl es Robert galt, würde Monika es persönlich neh m en, und die ganze Angelegenheit m it Monika war schon ko m pliziert genug. Jetzt holte sie ohne ein weiteres Wort Robert an den Apparat.
    »S a m «, sagte Carla, »er hat bei m i r angerufen!«
    In diesem Punkt unterschied sich R obert von ihr, dachte sie später etwas be s c h ä m t; sie h ä tte j e tzt b e i al ler Freude f ür ihn ei n en kl e inen Stich e m pfunden, er ließ nur Freude hörbar werden. Doch Robert war eben ein Opti m ist, der nicht d aran zw e i felte, daß d i e nächste Gelegenheit für ihn gleich um die Ecke wartete.
    Kathi in ihrer Redaktion anzurufen hatte keinen Sinn; dort war so gut wie im m er belegt, und außerdem schätzte sie den Film wo m öglich noch geringer als das Theater ein, m it Ausnah m e von Sergej Eisenstein und Panzerk r euzer Potemkin, und Carmilla klang nicht nach einem revolutionären Epos. Carla m achte sich, wie geheißen, auf den W e g in die nächste Buchhandlung, aber sie wurde erst in einem Antiquariat fündig. Zum Glück handelte es sich nur um eine kurze Novelle; bis sie am Abend i m Theater erschien, h atte sie das Werk bereits gelesen.
    »Eine Va m p irgeschichte«, ber i chtete sie Robert, »so wie Nosferatti, n

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