Unter dem Zwillingsstern
Othello f ür Desdemona das Andere, Unbekannte dar, den Mann, dem sie nicht wider s tehen konnte, selbst um die Gefahr ihres T odes nicht. Sie verbl ü ffte Robert m it einem Vorschlag für die Mordszene: » W as, wenn er ihr ein Tuch über das Gesicht legt und sie auf diese W eise erstickt s i e gleichzeitig küßt. Sie hat E m ilia vorher gebeten, noch ein m al ihre Hochzeitslaken aufzuziehen. Auf perver s e W e ise i s t das d och ihre zweite Hochz e it . «
»Und er sa g t es, ehe er Selbst m ord begeht«, fiel Robert, der ihre Idee sofort begriff, ein. »Ich küßte dich,/ Eh ich dir Tod gab und sei dies der Schluß:/ Mich selber tötend sterb ich so im Kuß!«
Es löste ihr Ringen um die Rolle, aber es beendete keineswegs ihre Schwierigkeiten. S i ch jeden Ab e nd Desde m ona und Othello auszusetzen m achte Carla tagsüber un a usgeglichen und launisch, und sie wünschte sich nur das E nde der L aufzeit herbei, um Desd e m ona endlich l o szuwerden, die si ch m ittlerweile in alles, von ihren Träu m en bis zu ihrer Art, die Vergangenheit zu betrac h t e n, ein m ischte. Nach der letzten Verbeugung flüchtete sie jedes m al in ihre Garderobe und schälte sich schneller als bei allen anderen Rollen bisher aus Desdemonas Maske, Perücke, Kleid. Daher war sie b ereits fast fertig, als Robert, immer noch dunkelbraun gesch m inkt, hereinka m , s i e um die Taille faßte und ein m al heru m w irbelte.
» W as m einst du, was heu t e abend passiert ist ? «
»Die Bank hat deinen Kredit verlängert, für W aschkosten«, und sie schaute re si gniert auf die Flecke, d i e er auf ihrer beigen Bluse hinterlassen hatte.
»Du wirst noch m al der erste weibliche Shylock der Theatergeschichte. Nein, m ein Schatz, heu t e abend war Paul Kohner im Publi ku m , und das schon zum zweiten Mal!«
» W er«, fragte Carla m üde, »ist Paul Kohner ? «
»Der Chef der europäischen Abteilung von Universal, und tu nicht so, als ob du noch nie von ihm gehö r t hättest. Hugo liegt uns doch allen in den Ohren m it der kleinen Rolle, die er in diesem Nordpolepos von Arnold Fanck gekriegt hat, und das wird von Kohner produziert.«
Sie erinnerte sich; bei Arnold F a ncks Ruf von der Besessenheit vom Realismus in seinen Berg f ilmen gab es all e rdings nicht vi el e Schauspieler, die sich darum rissen, m it ihm Monate in den Alpen zu verbringen und lebensgefährliche Kletterexperi m ente zu unterneh m en, wenn am Ende von der Kritik doch nur die grandiosen Naturaufnah m en sowie Luis Trenker u n d Leni Riefenstahl, die Hauptdarsteller, b e m e rkt wurden.
»Vielleicht braucht er noch m ehr Freiwilli g e zum Erfr i eren«, kom m entierte Carla, aber Roberts Aufregung begann sich auf sie zu übertragen. Einen Produzenten ein m al i m Theater zu sehen kam schon vor, und zu ihrer großen Freude hatte Max Reinhardt Othello einen Besuch abgestattet. Aber z w ei m al, das m u ßte etwas zu bedeuten haben.
W i e jeder andere Mitwirkende d e s Ense m bles verzichtete sie am nächsten Tag auf das Ausgehen und harrte in Reichweite des Telefons aus. S e it ihrem Vorstellungsgespräch für die Schauspielschule waren ihr die Stunden nicht m ehr so lange geworden. Sie versuchte einen län g st f älligen Brief an Käthe zu schrei b e n , die wissen wollte, wie sie bei den kom m e nden W ahlen des Reichspräsi d enten stim m en werde, aber sie konnte sich nic h t genügend konzentrieren, ganz abgesehen davon, daß sie sich noch nicht entschieden hatte. Käthe fand natürlich, die Entsc h eidung zwischen Hindenb u rg und Hitler sei die Wahl zwischen Skylla und Chary b dis, und obwohl sie erwäge, aus der Partei a uszutr e ten, würde sie in diesem Fall doch für Ernst Thäl m ann stim m en. Manch m al wünschte sich Carla Käthes beneidenswerte Sicherheit in bezug auf das Wohl und Wehe der Welt. Doch der Kom m unis m us im allge m einen und Thäl m ann im besonderen ließen Carla kalt, und außerdem w ußte sie, daß die Nazis auf ein Aufsplittern der republikanischen S tim m en zw i schen Thäl m ann und Hindenburg hofften. Sie wußte es, weil Philipp es erwähnt hatte.
Das war auch etwas, über das sie Kathi nicht schreiben konnte, dachte Carla und m alte statt dessen K r eise auf das leere Blatt, das vor ihr lag. Kathi war unschuldig. Sie würde nie verstehen, wie m an ein Verhältnis m it j e m and e m haben konnte, dessen Meinung man verabscheute. Aus den Kreisen wurden Spiralen, die ihr bald wie Ketten vorka m en. I rgend je m and hatte
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