Unter dem Zwillingsstern
Robert n ach, was sie auf keinen Fall wollte. Trotzde m , es mußte schon groß a rtig sein, so wie er gerade auf der Bank zu stehen und zu w i ssen, daß die Auf m erks a m keit all der Erwachsenen in der U m gebung a u f einen gerichtet war. Und er genoß es; w enn die Leute applaudiert e n, wirkte er m it seinem leicht geöffneten Mund und den glänzenden Augen so, als sauge er ihren Applaus in sich hinein.
Als die Droschke, die Herr König für sie gefunden hatte, in Richtung Bogenhausen losfuhr, strahlte Robert eine solche Befriedigung aus, daß sie ihrem Herzen Luft m achen m ußte.
» W enn du s chräg nach oben guckst, schaust du m it deiner Kartoffelnase wie ein Pin s cher aus«, s agte Carla schnippisch und schä m t e sich gleich darauf, weil es genauso eifersüchtig und kleinlich klang, wie sie es meinte. Also fügte sie ehrlich hinzu: »A ber die Sache m it den Karten war wirklich toll…« D ann gewann die Rivalität wieder die Oberhand in ihr: »…Bobby.«
Robert versetzte ihr nur einen leichten Rippenstoß und erwiderte mit einer Stimme, die durch das st ä ndige Reden in den letzten zwei Stunden nur ein wenig heiser war: » S chon gut, Halef, dein Sidi weiß, daß du seine Taten bewunderst.«
Man konnte sich darauf verlassen, daß Carla solche Reaktionen wie sein leichtes Zus a m m enzucken bei »Bobby« b e m erkt hatte. Außerdem war er drauf und dran gewes e n, den W ettkampf um die unglaublichste Spionagegeschichte gegen sie zu verlieren, bis ihm eingefallen war, wo m it er sie ganz bestim m t übertrumpfen konnte, und nun war er ganz in der Stimmung, groß z ügig zu sein. Er würde sie noch nicht ein m a l daran erinnern, daß sie ihr Versprechen m it den Rechenaufgaben im m er no c h nicht erfüllt hatte.
Als sie vor dem Haus der Fehrs anka m en und aus d e m G e fährt ausstiegen, m e r kte Robert sofort, daß irgend etwas nicht stimmte. Zunächst ein m al stand ein Auto m obil vor der Einfahrt. Auto m obile waren im m e r noch sehr selten; im K r ieg hatte er in München eigentlich überhaupt keines mehr gesehen, und in diesem Jahr erst wenige. Zweifellos war Herr Fehr reich g e nug, um sich ein Automobil zu leisten, aber einige P o lizisten standen um den W a gen heru m , und fast alle Fenster des großen Gebäudes waren hell erleuchtet. Mit einer Frage auf den Lippen drehte sich Robert zu Carla u m , aber sie ran n te bereits auf das Haus zu. Er wollte ihr folgen, aber vorher schaute er noch zu den Erwachsenen zurück. Sein Vater hatte immer noch nichts b e m e rkt; er s che r zte m it d e m Droschkenkutscher, während er ihn beza h lte. Doch Marianne Fehr stand wie angenagelt an einem Fleck und starrte auf das Auto m o b il m it den Polizisten. Ihr Gesicht war erkennbar blasser geworden, bis auf die W angen, auf denen zwei rote Flecken bran n t en. In die s em Mo m ent hätte er eine W ette darauf abschließen können, daß sie vielleicht entsetzt, aber nicht überrascht war und zie m lich genau wußte, was hier vorging. Aber ihr Mund war fest zusam m engepreßt, und sie blieb stum m . Hier ließ sich nichts m ehr erfahren; Robert rannte Carla nach.
Im Flur des Hauses holte er sie ein; sie kä m pfte sich aus der U m klam m erung eines Dienst m ädchens frei, das offenbar die Tür geöffnet hatte.
»Fräulein Carla, Fräulein Carla, Sie könna net…«
Mit einem Aufschrei ließ sie Car l a los; in ihrem Handballen zeichneten sich einige kleine rote Male ab, wo Carla sie gebissen hatte. Robert, der so etwas hin und wieder hatte tun wollen, aber nie die nötige Hemmungslosigkeit aufgebracht hatte, kam nicht dazu, sein Staunen zu registrieren. Er folgte Carla durch die Diele und zwei Zimmer in den kleinen Salon, wo sie ihren Vater schließlich fand.
Heinrich Fehr unter h i elt sich g e rade m it einem hochaufgerichteten Herrn, der aussah w ie ein Preuße aus den Simplizissimus-Karrikaturen . Er trug sogar ein Monokel. Der breite Rücken von Heinrich Fehr verdeckte den Rest seiner Gestalt, und Robert hatte kaum Zeit, die Uniform des Fre m d e n zu b e m erken, als Carlas Vater sich u m drehte. Der Anblick versc h lug ihm die Sprache. Bis auf den seltsa m en Abend, an dem er Dada Gold m ann angegriffen hatte, war ihm Herr Fehr im m er wie e in g e ru h sa m er, fleischiger Berg ersc h ienen, ein wandelnder W atz m ann. Nun war der Berg in sich zusa mm engesackt; das rötliche Haar wir k te verschwitzt und verklebt, der Bart stach ungepflegt von der hel l en Haut ab, und die
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