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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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h Fehr zu s e iner ä lt e ren Tochter und m einte es auch so. In den letzten Jahren h atten beide seiner Töc h ter durch das, woran sie ihn, jede auf ihre Art, erinnerten, hauptsächlich unangeneh m e G e fühle in ihm ausgelöst, a ber s e it s ei n er Hochzeit m it Anni begann er, sie weniger und weniger als Schatten ihrer Mütter oder als Manifestation seiner Enttäu s chungen zu sehen. Er trank einen Schluck von dem Bier, das m an ihm gebracht hatte, und stellte fest, daß es wenig Befriedigenderes gab als ein kühles Bier an einem heißen Sommertag. Anni würde ihm seinen Sohn schenken, einen Erben für die Fabrik; die Mädchen dagegen würden Sterne am gesellschaftlichen Hi mm el werden. Er hatte g e nügend Spenden in die richtigen Kanäle g e l e it e t, um sicherzustellen, daß die s e lächerliche Mißachtung aufhörte.
    »Ich wollte dich eige n tlich nach Bayreuth mitneh m en«, fuhr er fort, und erst, als ein freudiger Schim m er wie ein W etterleuchten kurz über Mariannes Gesicht glitt, b e m erkte er, wie verkra m p ft sie dastand. Ver m utlich bereute s i e, ihn so wegen d er Sache m it Carlas Erstkom m u nion bedrängt zu haben, und glaubte, daß er sie loswerden wolle. Prinzipien waren eine gute Sache, aber zu gr o ße Prinzipienstrenge führte zu nichts, besonders bei einer Frau. Marianne war so ein reizendes kleines Mädchen gewesen, viel liebevoller und zutraulicher als Carla im gleichen Alter. W i e war sie nur zu der dünnen, nervösen jungen Frau m it der verbissenen Miene geworden, die den Mund nicht öffnen konnte, ohne rechthaberisch oder vorwurfsvoll zu klingen? Zweifellos die S c huld ihrer Großeltern und der ganzen r a chsü c htigen Fa m ilie. Im m erhin, im Augenblick wirkte sie w e der rechthaberisch noch vorwurfsvoll, sondern geradezu schüchtern, als sie er k lärte:
    »Oh, ich würde dich sehr gerne zu den Festspielen begleiten, Papa. Aber«, sie schaute zu Boden und sprach weiter, hastig, ohne aufzublicken, »es ist m ir nic h t m öglich, weiter in einem Haushalt m it e inem korrupten Einfluß zu bleiben.«
    Heinrich Fehrs gute La une schwand. »Ich lasse die Pfaffen nicht m ehr ins H a us!«
    »Ich spreche nicht von Carlas E r stkommunion, s osehr ich m i r auch wünsche, ihr würde eine religiö s e Erziehung zuteil w e rden«, entgegnete Marianne leise, im m er noch ohne aufzuschauen. »Es geht m i r um das Beispiel, das ihr täglich vorgelebt wird von einer Person, deren Stellung sie zwangsläufig zu einem Vorbild m acht.«
    Ihr Vater kniff die Augen zusam m e n. » W as«, sagte er und lehnte sich vor, »soll das schon wieder heißen ? «
    Marianne zwang sich, von den be m alten Fliesen unter seinen Füßen aufzublicken. Es w ar so war m ; an seiner Schläfe zeigten sich kleine Sch w eißperlen, und sie spürte, wie der Stoff ihres Kleides an ihrem Rücken klebte.
    »Eine Ehefrau«, antwortete sie, s c hluckte und fuhr fort, »eine Gattin und Mutter sollte nie m als A n laß zum Zwei f el an ihr e r Reinheit und Treue geben.«
     
    Krieg, Revolution und Bürgerkrieg hatten nichts daran geändert, daß die Biergärten im Som m er gefüllt waren. Aber viele der Besucher sa h en d ünn und ab g ezehrt aus; einigen Män n ern fehlte ein Bein, ein Arm oder ein Auge. Carla m u s terte ein paar der Invaliden m i t großem Interesse; sie hatte noch nicht gelernt, bei Behinderten scha m haft wegzusehen.
    » W o m it«, fragte sie Robert, »verdient d e in Vater e i gentlich sein Geld ? «
    Rainer König konnte sie nicht hören; er war m it dem Versuch beschäftigt, die Auf m erk s a m keit der Bedienung zu erringen, um seine Bestellung aufzugeben. Eigentlich soll t en sie an diesem T a g alle in den Zirkus gehen, aber Anni war von einem Be s uch bei einer Freundin ni c ht r e chtz e itig z u rückgekom m en; ihr Vater hatte e rklä r t, er wolle auf sie warten, und seinen Freund gebeten, »den Kindern trotzdem einen schönen Abend zu machen«.
    »Er arbeitet als Spion für das perfide Albion«, antwortete Robert m it gesenkter Stim m e, nachdem er sich zuerst in alle Richtungen u m geblickt hatte. »Deswegen gibt er sich au c h m it dein e m Vater ab.«
    Jedes m al, wenn m an ihm diese Frage stellte, d achte er sich eine neue Geschichte aus. Die W ahrheit gefiel ihm nicht besonders. Sein Vater hatte früher, in Ba m berg, a l s Redakteur gearbeitet, was ihn auch m it Roberts Mutter zusam m eng e führt hatte. Aber sein Versuch, in der f rän k ischen Kl ei nstadt d en Stil d e r

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