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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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vernachlässigte und verzog. W as die ältere Schwester anging, so hatte Herr Fehr den Dienst m ädchen bereits Befehl gegeben, Maria n nes Sachen zu packen; sie sollte morgen wieder zu ihren Großeltern z u rüc k kehren. Nein, es führte kein W eg an der Tatsache vorbei, daß sie gebraucht wurde, und das nicht nur f ür die un m itt e lbare T ra uerz e it. W enn sie diese E r kennt n i s i g norie r t e, würde sie f ür den Rest ihres Das e ins m it Selbstver a chtu n g leben müssen, ganz gleich, welche journalistischen Erfolge sie errang.
    Käthe seufzte und u m a r m t e Carla erneut, etwas weniger ungeschic k t als b ei ihrem ersten Versu c h, aber der kleine, kindliche Körper blieb starr.
    »Du sollte s t jetzt nic h t allein s ein«, b egann Käthe, »und…«
    Der Junge, dessen Existenz sie f ü r den Mo m ent völlig vergessen hatte, unterbrach sie.
    »Ich bleibe bei ihr«, sagte er.
    Käthe überlegte. Keinesfalls wollte sie ihre Verantwortung auf ein Kind abwälzen, aber einige Zeit mit e i nem Gleich a lt r igen all e in zu sein würde Carla v i elleicht aus i h rem wohl durch den Schock ausgelösten Zustand herausholen. Sie würde später zurückkommen, u m sich an der so ungewohnten Tätigkeit des Tröstens zu versuchen.
    »Gut«, entgegnete sie, »ich werde deinen Vater um Erlaubnis bitten.« Nachdenklich runzelte sie d i e Stirn. »Am günstigsten wäre es wohl, du bliebest für eine W oche. Ich werde ihn bitten, m o r gen früh einige deiner Sachen bringen zu lassen.«
    Als sie ver s chwunden war, setzte Robert sich auf die sorgfältig glattgezogene Decke von Carlas B e tt und kommentierte verächtlich:
    »So sind sie alle.«
    »Geh weg«, gab Carla feindselig z u rück, aber wenn sie es so ge m eint hätte, dann hätte sie es noch in Fräulein Brods Gegenwart gesagt.
    »Ich weiß, warum du geschrien h a st«, sagte Robert, nicht m itfühlend, denn er war nicht geblieben, um Carla zu trösten, sondern m i t einem Hauch von Selbstzufriedenheit. Carla ging zu ihrer Kommod e . Die alte, weiße Schublade knirschte, als sie daran zog. Alle Möbel in ihrem Z i mmer waren alt und eigentlich zu groß für sie; sie hatte Mariannes Jun g m ädchenzimmer geerbt, und m anc h m al fragte sie sich, ob Marianne ihr auch das übelnah m .
    »Du denkst im m er, du weißt alles«, sagte sie dabei, den Rücken zu Robert gewandt, »dabei weißt du überhaupt nichts.«
    Als sie sich wieder umdrehte, h i elt sie zwei P uppen in der Hand. Das verblüffte ihn. Er hatte sie nie mit Puppen spielen sehen, obwohl es natürlich sein konnte, daß sie es in seiner Gegenwart ver m ied, um sich keinen Spott über Mädcheng e tue anhören zu m üssen. Es waren Porzellanpuppen, das fiel ihm als erstes auf, u n d eine davon trug etwas Glitzer n des in ihrem dunklen H aar. Die andere… Robert blinzelte verblüfft.
    Die andere hatte keinen Kopf.
    Sie trug ein schwarzes Sa m t kleid, das schon etwas brüchig aussah, und m ußte sehr teuer gewesen sein, denn der schwarze Sa m t war m it silbernen Mustern bestickt.
    »Du denkst, du kannst zaubern«, sagte Carla, und Boshaf t i gkeit verlieh ihrer tonlosen Stim m e wieder etwas Farbe. »Aber du trau s t dich bestim m t nicht, es richtig zu tun.«
    Die kopflose Puppe war ihm in d e r Tat unheimlich, aber die Herausforderung war unwiderstehlich.
    »Ich trau m i ch alles!«
    In Carla kam B e wegung. Sie wick e lte die beiden Puppen in ein Tuch, dann legte sie den Zeigef i nger auf ihre Lippen und ging zur Tür. Er f olgte ihr. Es war nicht weiter schwer, sich aus d e m Haus zu schleichen, wenn m an sich aus k annte. Inzwi s chen tren n t en n ur noch die letzten b l assen S t reifen am Horizont die Nacht von der völli g en Dunkelheit, und es war eigenartig, wie sicher sich Carla trotzdem durch den Garten stahl. Dank der Angewohnheiten seines Vaters blieb Robert zu den ungewöhnli c hsten Zeiten wach, aber die ihm vertraute Nacht wurde gewöhnlich durch Straßenlaternen erhellt, durch das Glitzern von Gläsern, Kellner- und Hotelpagenunifor m en; die völlige Dunkelheit eines Gartens, die fremden Geräusche von Insekten und Vögeln waren ihm n e u. Er spürte eine Mischung aus Erregung u nd Furcht u nd beachtete die Zwei g e nicht, die ihm hin und wieder ins Gesicht schlugen, da er hinter Carla herging.
    Sie blieb schließlich stehen und k a uerte sich nieder, ihr T uch m it den Puppen im Schoß. Als etwas auffl a mm t e, stellte er fest, daß sie Streichhölzer m itgenom m en

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