Unter dem Zwillingsstern
gearbeitet glaubst du, er wird klagen?«
»Er hat S i nn für Hu m or und ist s e hr viel friedliebender als du oder Heinz Iffland. Aber w e nn er einmal zornig ist, dann bleibt er es. Denk an die ar m e Else Hei m s. Die großen Bühnen boykottieren sie noch immer. Und sich selbst auf der Leinwand sterben zu sehen, und dann auch noch so, findet er ganz bestim m t nicht ko m isch. Ganz zu schweigen von Sibylle. Nur, vielleicht denkt er auch, es sei die beste Taktik, wenn er den Film erhaben ignoriert.«
»Hoffen wir das Beste«, sagte Rob er t m it dem leichten ö st e r r eichischen Akzent, den er als Heinz Iffland benutzte, und verstärkte ihn noch, als er f ort f uhr: »Schlie ß lich h at Hitl e r au c h nicht geklagt, weder gegen F euchtwanger noch gegen m i ch.«
Sie lac h ten beide, dann m einte Carla ernüchtert: »Du, das hätte wirklich ins Auge gehen können. K a thi hat m i r einen Bericht von der Basler Nationalzeitung geschic k t, in dem steht, Hitl e r habe im So mm er, als ihm der Vizekanzlerposten angeboten wurde, verlangt, daß m an ihm d a nn zweiundsiebzig S t unden die Straße für die SA freigeben m üsse.«
»Ja, davon habe ich auch gehört, D i eter hat den Artikel in de m selben Brief, in dem er m i r von der Wiederholung m einer Sendung geschrieben hat, m itgeschickt. Eine Blankovoll m acht, weil m an polit i schen Gegnern m it Argu m enten nicht beikom m en könne und sie physisch vernichten m üsse, so in etwa hieß es doch, oder? Und dann soll Hindenburg ihm die Tür gewiesen haben. Tja, was soll ich sagen? Die Vorrrrsähung nim m t eben a uf m ich Rü c ksicht. Außerde m «, fügte er hinzu und ging wieder in seinen nor m alen Tonfall über,
»qualifiziere ich m i ch kaum als po l itischer Gegner. Ganz ehrlich, m ir ist es zie m lich egal, wer das Land regiert, nur stört m ich an den Nazis, daß sie so absolut keinen S i nn für Hu m or haben und einem i m Radio den Sendeplatz m it ihren elend langweiligen Reden wegneh m en.«
Monika sah nicht gut aus; ihre braunen Locken wirkten spröde und glanzlos, ihre Handgelenke waren aufgequollen, und unter ihren Augen m alten sich tiefe Schatten.
»Es tut m ir leid, daß ich dich s t öre«, sagte C arla, schluckte und beschloß, es schnell hinter sich zu bringen. »Ich bin froh, daß du m i r überhaupt auf m achst. Hör zu, Monika, es tut m i r leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich war wütend, und dann erfinde ich m anchmal Dinge…«
»Du hast nichts erfunden«, unterb r ach Monika sie kalt. »Und du wirst verstehen, daß ich auf eine weitere Konversation keinen W ert lege. Robert hat angerufen, ich weiß schon, warum du hier bist.«
Sie griff auf die Hutablage hinter sich und zog ein sch m ales, in Geschenkpapier eingehülltes, großes Rechteck hervor.
»Hier ist die Platte.« Doch ehe Carla die Hand ausstrecken konnte, ließ Monika sie auf den Steinboden vor ihrer Türschwelle fallen und trat ein m al darauf. Das Zerbrechen der Schellackplatte war sehr deutlich zu hören.
»Oh«, sagte Monika in dem gle i chen, unbeteiligten Tonfall wie vorhin. »Sie ist kaputt.«
Dann drehte sie sich um und schlug die Tür zu. S ä m tliche S chuldgefühle in Carla wichen einem g r ündlich erneuerten Zorn und d e m Wunsch, M onika den Hals u m zudrehen. Sie rang nach Ate m . Das Treppenlicht ging aus, und sie bü c kte sich im Dunkeln, um die zerbrochene Platte aufzuheben. Einen Mo m ent lang erwog sie, gegen die Tür zu hämmern und so laut zu zetern, daß Monika sie einlassen mußte, bevor sie s ä m tli c he Nachba r n herbeirie f e, doch das wäre kindisch und brächte letztendlich nichts. W ährend sie die Treppe wieder hinunterlief, hörte sie die zerbroch e nen Plattenstücke in ihrem Pappu m schlag heru m rutschen und spürte Tränen aufsteigen. Ärgerlich rieb sie sich m it dem Handrücken über die Augen. Es war ein Ja mm er um R oberts W eihnachtsgesc h e n k, aber irgendwo ließ sich gewiß noch ein E xe m plar dieser Aufnah m e auftreiben, und er brauchte noch nicht ein m al etwas davon zu e r fahren. Monika war nichts weiter als eine Parasitin, die sich in sein Leben eingeschlichen hatte, doch bisher konnte sie ignoriert w e rden, und das würde auch in Zukunft m öglich sein.
Am nächsten Tag passierte es i h r auf der Zugreise gen Süden zum ersten Mal, daß sie außerhalb der U m gebung von Theatern und Fil m studios erkannt wurde, was ihre gute Laune wi e derher s t e llt e . Es hatte bereits Aut o gram m jäger im
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