Unter dem Zwillingsstern
nn kam Bewegung in ihn. Er griff nach der Schatulle, zog den Ring heraus, packte ihre linke Hand und steckte ihn ihr gewaltsam auf den Ringfinger.
»Du wirst m i ch heiraten«, wiederholte er. » V erstehst du, es gibt dazu keine Altern a tive . «
Sie schaute ungläubig auf ihre Hand, dann wieder zu ih m .
»Philipp«, sagte Carla und b e m ühte s i ch, gelassen zu bleiben, »zu einer Eheschließung gehören zwei Personen, die m it Ja antworten. Und wenn du m ich den ganzen W eg von hier bis zum nächsten Standesa m t zerrst, dazu kannst du m i ch nicht zwingen.«
Sie saß halb aufrecht, und die plöt z liche W ucht, m it der er sie auf das Bett drückte, nahm ihr für kurze Zeit den Ate m . Zum e r sten m al kam ihr der Gedanke, er könnte sie, um sich für die Zurückweisung zu rächen, vergewaltigen. Es gab nie m anden hier, der ihr zu Hilfe kom m en würde, wenn sie schrie, und nie m anden, der ihr hinterher glauben würde; zu viele Leute wußt e n, daß sie ein Verhält n is m iteinander hatten.
»Kann ich das nicht ? « fragte Philipp tonlos. Er lag a u f ihr, und die Hände um ihre Handgelenke waren erbar m ungslos.
»Ich habe keine Angst vor dir«, preßte sie hervor.
»Vielleicht nicht«, sagte er, ohne sich zu rühren. »Aber du solltest Angst um deine F r eunde haben. Als m einer zukünftigen Ehefrau werde ich dir etwas anvertrauen, m ein Kind, was sonst nicht sehr viele Leute erfahren, und ich hoff e , du weißt es zu schätzen. Diese lächerliche Nove m berrepublik wird den nächsten Monat nicht überleben. Dieses Land wird sich v e rändern, gründlich verändern, und wo gehobelt wird, da fallen Späne. Du kennst eine Menge solcher Späne.«
Sie hatte sich oft gefragt, was n ö tig wäre, um sie endlich von jeder Art Bindung an Philipp zu befreien. Nun wußte sie es, sie spürte e s , ein körperliches Absterben aller Nervenenden, das sich mit jedem seiner W orte weiter in ihr ausbreite t e. Noch vor einer S t unde hatte er sie sehr ähnlich gehalten, doch nun e m pfand sie nichts, überhaupt nichts m ehr, weder Erregung noch Furcht. Ich dachte nicht, daß es so schnell geht, dachte sie verwunder t , ich glaubte, es würde ei n langsa m er Prozeß sein, wie das Heilen einer W unde. Die Klarheit, m it der sie ihn sah, löschte jeden Zorn, aber auch alle Zuneigung. Er log sie nic h t an; er m einte, was er sagte. Sie zweifelte nic h t län g er dara n , daß er auch an all die Parolen sei n es Führers glaubte. I n telligenz, Kultiviert h eit, das a lles änderte nic h ts da r an, d a ß er ei n en Teil d e r Menschheit als entbehrliches Material sah und von d e m gleichen I m puls getrieben wurde wie der primitiv s t e SA-Mann.
Ihr Lachen ohne Heiterkeit, ein abgerissenes, m i ßtönendes Gelächter, das leise begann und im m er lauter wurde, war die eine Reaktion, m it der er n i cht g erech n et hatte. S i e spürte, wie er erstarrte. Er ließ sie los. Sie rollte sich auf die andere Seite des Bettes und wollte eigentlich gleich aufstehen, aber das Gelächter schüttelte sie so sehr, daß sie wie ein E m bryo gekrüm m t da lag und warten m ußte, bis sie wieder etwas Luft bekam.
»Philipp«, keuchte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen, während sie sich erhob, »versuch nie m als, eine Opernhandlung m it je m andem vom Theater durchzuspiel e n. Es funktioniert in der Realität einfach n i cht. Baron Scarpia ka n n Tosca v i elleic h t m it d e m Leben ihres Geliebten erpressen, aber du m i ch bestim m t nicht. Angeno mm en, wir haben m orgen eine Diktatur, jeder einzelne Mensch, der m ir etwas bedeutet, landet im Gef ä ngnis, und du könntest sie alle dort herausholen wie idyllisch, glaubst du, wird hinterher unser Ehelebe n ? Und was bekommst du dann wohl? Einen Auto m aten. Nichts anderes als einen Auto m aten.«
Sie m achte sich nicht die Mühe, zu ihm hinzusehen, um seine Reaktion zu beobachten. Statt dess e n ging sie zum Schrank und holte ihren eigenen Koffer heraus. Unten an der Theke würde es inzwischen kühl sein, also zog sie vor dem Packen den Pullover, der im Schrankfach zuoberst lag, an, schlüpfte in eine Unterhose und tastete gerade nach d e m Bügel m it den w ä r m sten Ho s en, als Philipp hinter ihr auftauchte. Sein Gesicht war v e rzerrt, er atmete schwer, und als er dies m al ihre Hand ergriff, geschah es, um sie auf die Tür zuzuzerren.
»Dann geh!« stieß er hervor. »Geh jetzt gleich, sofort, bevor ich dich u m bringe, du Miststück, und l a ß dich
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