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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Theater gegeben und seit dem Anlaufen von Carmilla auch einen Teil unter den Kinoschwär m ern, die sich in der Gegend der Studios heru m t rieben, aber in so einer Allta g ssituation war es ihr noch nicht geschehen.
    »Mensch Maier«, sagte der Abiturient, der nach Hause zu seinen Eltern fuhr, ehrfürchtig, »das hätt ich nicht gedacht, daß ich Ihnen m al leibhaftig begegne.«
    Er beschwor sie inständig, nicht wegzulaufen, und holte z w ei seiner Freunde aus dem n ä chsten Abteil. Carla kritzelte ihren N a m en i n Schulhefte, ließ sich über die Arbeit an Carmilla ausfragen und hatte für den Rest der Reise drei ergeb e ne Verehrer, die ihr bei jedem längeren Aufenthalt anboten, Getränke oder Gebäck auf den Bahnhöfen zu besorgen, und ihr beim U m steigen das Gepäck trugen.
    »Und welche Musik m ö gen Sie am liebsten ? «
    »Jazz«, sagte Carla, was eine Diskussion über die Vorzüge von Duke Ellin g t on gegenü b er Benny G ood m an hervorrief, an der s i ch nur einer der drei Abiturienten zunächst nicht beteiligte.
    »Mein Fähnleinführer sagt, diese Nege r m usik sei undeutsch«, m einte er zögernd.
    »Ach, komm schon, Toni, du hast sie doch früher auch ge m ocht.«
    »Na ja, schon.«
    »Gehen Sie auch zu Sc h m idt’s Plattenladen, Frä u lein Fe hr ?« Anfangs waren ihr die drei wie Kinder erschienen, doch nach und nach wurde ihr bewußt, daß sie selbst gar nicht so viel älter als diese Kinder war, und bei der nächsten Fahrkartenkontrolle fand sie der Schaffner als Teil ei n es vier s tim m i gen Chores, der in m ehr schlechtem als rechtem Englisch dröhnte: » You don’t know a thing, if you ain’t gonna swing… «
    Bei der Ankunft in München besta n d e n ihre drei Ritter darauf, sie zu ihrem Wagen zu begleiten. W as Philipps Chauffeur davon hielt, sagte er n i cht, aber er errötet e , als Carla ihm einen U m schlag m it Geld in die Hand drückte, eingede n k seiner Hil f e m it dem Fahrrad und einiger anderer Dinge. Philipp, d e r sie auf dem Rücksitz des Autos erwartete, gab keinen Kom m en t ar zu den Schuljungen ab, die ihr nachwinkte n , aber er fragte sie, ob sie ihre Arbeit an dem Film beendet habe.
    »Ja, es sei d enn, Robert fällt später n och etwas ein.«
    »Gut. Ich möchte dich etwas fragen.«
    Sie wartete. »Nicht jetzt«, sagte Philipp. »Später.«
    Dann erzählte er ihr, d aß er i h r dies m al das Wedeln beibringen wolle, vora u sgesetzt, sie traue es s ich zu. Für Philipps Ver h ält n is s e war das eine sehr har m l ose Neckerei, was Carla für ein gutes O m en hielt; wenn sie nicht wieder Geschäftsfreunden von ihm begegneten, würden sie möglicher w eise ei n e ei n i ger m aßen har m onische Zeit m iteinander verbringen können.
    Durch den kurzen Temperaturans t ieg vor einigen Tagen, der für Regenschauer gesorgt hatte, bis es wieder kälter wurde, waren die m eisten Pisten ve r ei s t, u nd sie st ü rzte öfter als erwart e t, b is sie s ich an die neuen Verhältnisse gewöhnt hatte. In der Nacht schneite es, und der Neuschnee am nächsten T ag war genau das, was m an sich als Skifahrer wünschte. Nach den vergangenen acht W och e n in der Hitze der S t udios, die einen dankbar für Som m erszenen m it m öglichst wenig Kostüm s e in ließ e n, begrüßte sie die Kälte und den Schnee wie Wasser in der W üste. Außerdem bot ihr der Sport eine gute Möglichkeit, die anhaltende T r aurigkeit um Susanne, die Eleonore war u n d auch wie d er nicht, und das Gefühl eines vergeudeten Lebens loszuwerden und hinter sich zu lassen.
    Weihnachten k a m und ging, ohne daß Bekannte auftauchten, zu Carlas tiefer Erleichterung. Melanch o lie streifte sie, als sie an Mariannes gewissenhafte Kirchgänge dachte und sich fragte, ob ihre Schwester wohl geahnt hatte, daß Philipp den Glauben, der ihr soviel bedeutete, nicht teilte, sondern nur einer Konvention Genüge tat. Ver m utlich; vielleic h t h a tte s ie es so g ar gewußt, e he sie ihn h e ir a tet e . Marianne mit ihrem m i ssionarisch e n Zug… Andererseits hatte ihr Glaube sie, soweit Carla das beurteilen konnte, hauptsächlich unglücklich und e m pfänglich für Schuldgefühle ge m acht. Das Seltsa m e ist, konstatierte Carla, daß sie bei m i r m ehr Erfolg gehabt hat, als sie dachte. Es muß wohl Marianne gew e sen sein, die dafür gesorgt hat, daß ich an Gott glaube, denn Kat h i ist Atheistin, und m ein Vater dachte, e r s e lbst s e i Gott.
    Ihre diffuse Überzeugung, daß es G ott gab, war jedoch

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