Unter dem Zwillingsstern
nie w i eder blicken!«
Er warf sie auf den Flur hinaus und knallte die Tür hinter ihr zu. Kurze Zeit danach hörte sie, wie er das Fenster öffnete und ebenfalls wieder zuschlug. Er m ußte ihre S achen in den Schnee hinausgeworfen haben. Wenn es nicht so leer in ihr gewesen wäre, hätte sie das erneut zum Lachen ge re izt, denn es m achte ihn zum un f reiwilli g en Ko m i ker. Dann stellte sie sich vor, barfuß im S c hnee heru m l aufen zu müssen, verwünschte ihn und m achte sich auf den W eg nach unten.
Im E m pfangsrau m , der gleichzeitig als Bar diente, befand sich nie m and m e hr, also stellte sie ein e n Stuhl vor die Tür, um sie a m Zufallen zu hindern, und rannte, da m it sie es schnell hinter sich brachte, um das Haus heru m . Richtig, dort lagen ihr Koffer und wild verstreut ihre Kleider. Zu m i ndest war der Koffer geschlossen, was bedeutete, daß sich ihr Porte m onnaie noch darin befand. Sie griff nach alle m , was sie finden konnte, rannte zitternd zurück und schloß so schnell wie m öglich die Tür hinter sich.
Am nächsten Morgen befand sie sich m it hämmernden Kopfsch m erzen und hustend in d e m Bum m elzug auf dem Rückweg nach München. Die Erkältung, die sich a nbahnte, m a c hte schnellere Fortschritte als jede Kinderkrankheit, die sie je gehabt hatte. Als Käthe aus der Redaktion heimk a m , entdec k te sie C arla durch g eschwit z t, aber schlotternd, vor ihrer Hau s tür zusam m engesunken. E i n Blick genügte, und sie schaffte Carla schleunigst in ihre W ohnung. Käthe war eine prakti s che Frau, deswegen verzichtete sie vorerst auf Fragen und steckte Carla gleich ins Bett.
Der eilig herbeigerufene Dr. Gold m a nn diagnostizierte Grippe, und Carla verbrachte die nächsten bei d en W ochen, eingepackt in Decken und Lindenblütentee trinkend, in Käthes kleiner W ohnung. Käthe hatte an und für sich auf ihren W eihnachtsurlaub verzichten wollen es war etwas, das den Mitarbe i tern ohne Fa m i lie von der Zeitung nahegelegt wurde -, doch sie hatte das bereits oft genug getan, um von ihrem Chefredakteur jetzt oh n e größeres Murren davon befreit zu werden. Carla m achte ihr S o rge n . Sie h a tte s eine r zeit Masern und Mu m ps viel rascher als Käthes Geschwister, a u f die sie in ihrer Jugend hatte aufpassen m ü ssen, hinter sich gebracht und war ansonsten im m er beneidenswert gesund gew e sen. Eine Grippe war unangeneh m , aber die Apathie, in die Carla versank, war unnormal für sie und rührte nicht nur von der Krankheit her. Es erinnerte Käthe an Carlas Verhalten in jenem Nov e mber nach ihrer Kündigung, und das beunruhigte sie fast so sehr wie der sch m ale go l dene Ring an Carlas linker Hand. Käthe erkannte einen Ehering, wenn sie einen sah. Sie fragte Carla jedoch erst am vierten Tag nach ihrer Ankunft.
»Nein, ich habe nicht geheiratet«, sagte Carla m it ausgedörrter Stim m e. »Ich trage ihn in dem Fil m , und jetzt bekom m e ich ihn nicht m ehr herunter.«
Das erleichterte Käthe zunächst, bis sie anfing, d a rüber nachzugrübeln, ob für die Dre h arbeiten zu einem Film tatsächlich echter Sch m uck zur Verfügung gestellt wurde und ob m an dann die Schauspieler da m it in die Ferien fahren ließ. Der Ring war echt, denn er zeigte durch das W aschen und Carlas gelegentliche Versuche, ihn m it Seife einzurei b en u nd zu ent f ernen, kein A nzeichen von Verfärbung.
»Sie m üssen warten, bis Sie kein Fieber m ehr haben«, sagte Martin Gold m ann zu ihr. »Ihre Hände sind zur Zeit angeschwollen, und durch das ständige Ziehen und Drehen wird es nur noch ärger.«
Er ver b rac h te Silvester m it ihn e n, was Käthe zu schätzen wußte, hatte er ihr doch erzählt, daß er Karten für den Opernball hatte. Statt dessen saßen sie in ihrer W ohnung, auch Carla, die darauf bestand, angezogen zu sein, aber so noch k r änker aussah als im Bett, und stießen auf das neue Jahr an: Käthe m i t Mineralwasser, denn sie trank keinen Alkohol.
»1933«, m einte Dr. Gold m ann sinnend. » W as es uns wohl bringen m ag ? «
Sie schwiegen und hörten die Feuerwerkskörper über den Dächern explodieren.
» W enn die Diktat u r k ä m e«, sagte Carla pl ö t zlich, » m it Hitler als Diktator, was würdest du dann tun, Kathi? Und Sie, Dr. Gold m ann ? « Die Lebhaftigkeit, m it der sie die F r age stellte, der Bruch in ihrem seit ihrer Ankunft so passiven V e rhalten schien Käthe der erste Schritt zur B esserung zu sein, und sie lächelte.
»Diese Gefahr
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