Unter dem Zwillingsstern
würde kommen, dann wären zwei Jahre im Ausland genau das R i chtige, denn länger würde der Spuk gew i ß nicht dauern, wenn die Nazis schon im Vorfeld dem Schwanken der W ählergunst unterworfen waren. Die Vorstellung, zwei Jahre als Fre m de in einem fr e m den Land zu leben, schreckte sie nicht, im Gegenteil, sie hatte Robert im m er um seine vielen Rei s en beneid e t. Natü r lich wollte s ie n icht f ür den Rest i h res L ebens nach A m erika, a b er zwei Ja hr e waren k ein Exil, sondern ein Abenteuer. Wenn sie n u r die Gewißheit hätte, danach i m Triu m ph h e i m zukehren, so daß sie gewiß ein gutes Ense m ble aufneh m en würde, und nicht als vergessener Nie m and. Eine Gestrige m it fünfundzwanzig, wie schauderhaft.
Mit jedem Januartag, der verging, w u chs ihr Vertrauen darin etwas, daß Philipp sich geirrt oder gelog e n hatte, aber d as m achte ihre Entscheidung n i cht leic h t er, und es änderte n i chts an d e m dritten Proble m , das all m ählich auftauchte. Ihre Periode, die sonst sehr regel m äßig ka m , wäre zu Silvester fällig gewesen. Sie schob deren Ausbleiben auf ihre Krankheit, aber sie w ä re trotzdem erleichtert gewesen, wenn die Blutungen sich endlich einstellten. In den vergangenen Jahren hatte sie hin und wieder Spülungen und Schw ä m m e benutzt, doch in d er Regel die V erhütung P h ilipp überla s sen, was o h nehin der sicherere Weg war; m anch m al hatten sie Vorsichts m aßnahmen allerdings ganz ignoriert, und in der W o che vor W eihnachten war das so gewesen. Sicher, d achte Carla, lie g t es nu r an d er G ri p p e un d d a r a n, daß ich m i ch ohnehin hunds m i serabel fühle.
Es war schlimmer als die Depression nach einer vollendeten Darstellung; die Leere in ihrem Inneren fraß an ihr wie ein gieriger, schwarzer S chlund. Deswegen war sie so dankbar, daß das Synchronisieren ihr etwas zu tun gab, und sie klam m erte sich an Dinge wie die Bewunderung, die sie für die feinen Strukturen eines Eiskristalls an ihrem Fenster e m pfand, oder d i e Belustigung über Roberts Sti mm e a m Telefon, wenn er anrief und die besorgten Rechtsanwälte von Astoria, die ihn gerade hei m gesucht hatten, i m itiert e : E r eignisse, die ihr bewiesen, daß sie noch am Leben war.
Dann kam der dreißigste Januar, und die Zeit der vielen Möglichkeiten war beendet.
»Käthe«, sagte Dr. Gold m ann hilflos, » m einen Sie nicht, daß Sie viel zu voreilig reagieren ? «
»Nein, ganz bestim m t nicht«, e n tgegnete Käthe und m achte m i t dem Kofferpacken weiter.
»Es sind doch nur drei Nationalsozialisten in der neuen Regierung vertreten.«
»Und einer davon ist R eichskanzler und hat uns gerade m it einem einwöchigen Veröffentlichungsverb o t belegt, z u sam m en m i t zweiunddreißig anderen Zeitungen im R e ich. Haben Sie die Regierungserklärung eigentlich gelesen, Mart i n, richtig gelesen? W as glauben Sie denn, was er da m it m eint, ›den Kräften der geistigen, politischen und kulturellen Nihilisierung einen unbar m herzigen Krieg ansagen‹ ? «
»Aber nach dem Ende d i eses Verbotes…« Käthe stopfte ihre Schreib m aschine m it Socken aus, da m it sie den Transport überstand, und blickte nicht auf, als sie antwortete.
»Der Mann, der uns m it seinem Trupp dieses Verbot überbracht hat, erwähnte, daß die Münchner Post ein Heim für SA-Männer werden wird. Ich glaube nicht, daß es ein Scherz sein sollte. Und schauen Sie s i ch die Leute a u f der Str a ße an, Martin. Das stellt 1923 noch weit in den Schatten. Ganz ehrlich, ich habe Angst, daß es nur m it Verboten nicht lange getan sein wird.«
Sie klap p t e den Kofferdeckel zu, do ch sie hatte zuviel hineingepackt; der Koffer ließ sich nic h t schließen. Sie m ußte noch ein m a l von vorne anfangen, und die Aussicht darauf trieb ihr plötzlich die Tränen in die Augen. Erschöpft setzte sie sich neben das sperrige Ungetü m .
» W enn wir in einem Monat eine neue Regierung haben, oder in zweien…«, begann Dr. Gold m ann.
»Dann kom m e ich sofort zurück, und Sie dürfen m ich hysterisch schelten. Aber wenn es länger d a uert, Martin…«, sie ergriff seine Hand, ohne sich darum zu küm m e rn, daß eine solche Geste m ißverstanden werden könnte, »wenn es länger dauert, dann wäre es m i r lieb, wenn Sie ebenfalls ins Ausl a nd gingen. In die Schweiz vielleic h t.«
» W arum nicht nach Österreich ? « n e ckte er sie und weigerte sich, das Ganze ernst zu n e h m en. »Ich m ag
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